Grüne Pflanzen auch in Trockenzeiten: Wasserspeichernde Polymere

Ein mexikanischer Chemiker will mit einem wasserspeichernden Granulat den Anbau von Pflanzen auch in Trockenzeiten ermöglichen.

Sergio Rico vor einem Versuchsfeld mit Mais. Bild: knut henkel

„Rancho Los Leones“ steht auf dem Schild am Straßenrand. „Hier ist es“, sagt Sergio Rico, greift ins Lenkrad seines geländegängigen Wagens und biegt auf die Schotterpiste ab, die auf eine Ferienanlage hinführt. Daneben, durch eine Baumreihe getrennt, befindet sich ein großes Maisfeld. Knapp zwei Meter sind die Pflanzen hoch und sie tragen bereits stattliche Kolben.

„Fünf bis sechs Wochen sind es noch bis zur Ernte“, erklärt Agraringenieur Everardo Lovera Gómez. Er ist Präsident der Vereinigung der Maisbauern im Bundesstaat Mexiko. Der umschließt die mexikanische Hauptstadt und versorgt sie mit Lebensmitteln wie Mais, Bohnen und Kürbis. Dort in Atlacomulco hat die Bauernorganisation ihren Sitz, und auch dort gab es in den letzten Jahren immer wieder extreme Trockenzeiten. So war es auch im letzten Frühjahr und deshalb wurde der Mais erst im Mai statt im März ausgesät. In trockenem Boden keimen die dicken Maiskörner eben nicht.

„In Zukunft wird das anders sein“, ist sich Sergio Rico sicher. Der Industriechemiker hat vor rund zehn Jahren ein Granulat entwickelt, das die Probleme der Bauern in Dürreregionen lösen könnte. Die bisherigen Erfahrungen der Bauern mit „Lluvia Sólida“ seien positiv, heißt es. So zum Beispiel auf der Halbinsel Yucatán. Dort hat Guillermo Valis einer Kleinbauerngenossenschaft bei der Anlage von Zitrusplantagen geholfen. „Wir haben über die Welternährungsorganisation (FAO) Kredite für den Kauf von Lluvia Sólida erhalten, und die Ernteerträge bei Limonen haben sich verdrei- bis vervierfacht“, so der Wasser- und Agrarberater. Er vertreibt Lluvia Sólida in der Region von Yucatán.

Für Marketing und Vertrieb hat Sergio Rico kein Geld, und Unterstützung von Mexikos Regierung gab es bisher auch nicht. Gründe, weshalb sein Granulat bisher eher ein Mauerblümchendasein fristet. Das soll sich ändern, und der Preis des Internationalen Wasserinstituts (Siwi) in Stockholm könnte helfen. Mehrmals ist Lluvia Sólida bereits dafür nominiert worden. „Etwas Anschub für den Durchbruch wäre super, der Wasserpreis wäre genau das Richtige“, erklärt Sergio Rico. Was er braucht, sind wissenschaftliche Studien, die nachweisen, wie das Granulat funktioniert, dass es sich positiv auf die Erträge auswirken kann und dass es unbedenklich ist.

Wissenschaftliche Studien

Deshalb ist Rico nach Atlacomulco gekommen, um gemeinsam mit Everardo Lovera Gómez das Versuchsfeld zu besuchen. Aus dem Feld stapft Everardo Lovera Gómez gerade mit mehreren Maiskolben. „Sechs Wochen dauert es noch bis zur Ernte, aber ich kann kaum Unterschiede feststellen, weil wir nach der Aussaat viele Niederschläge hatten“, erklärt der Agrartechniker.

En detail werden jedoch erst die Wissenschaftler von der Agraruniversität Inifap Auskunft geben, die die Pflanzen, die Kolben und die Wurzeln untersuchen werden, um endlich stichhaltige Fakten zur Funktionsweise von Lluvia Sólida liefern zu können. „Wir brauchen wissenschaftliche Studien, um staatliche Institutionen, Nichtregierungsorganisationen und Bauern von Lluvia Sólida zu überzeugen“, so Sergio Rico.

500 Liter Wasser

Vor siebzehn Jahren hat er die Formel für das wasserspeichernde Polymer entdeckt, seit zehn Jahren lässt er es industriell herstellen. Das Granulat kann pro Kilogramm fünfhundert Liter Wasser speichern, die gleichmäßig und vollständig wieder an den Boden abgegeben werden, wenn keine Niederschläge fallen. Das hat Vorteile gegenüber herkömmlicher Bewässerungstechnik, denn es muss kein Geld in Pumpen, Schläuche oder Strom investiert werden.

Allerdings sind die an Zuckerkristalle erinnernde Polymere, die in Säcken à 25 Kilogramm angeboten werden, auch nicht billig. Das in einer Fabrik im US-Bundesstaat North Dakota aus Altöl hergestellte Produkt kostet 7.500 Peso. Umgerechnet sind das 420 Euro pro 25-Kilogramm-Sack, der in etwa für die Fläche von einem Hektar ausreicht. „Das hängt auch von der Bodenbeschaffenheit ab“, erklärt Rico.

Im Ausland wird ihm derzeit weniger Skepsis entgegengebracht als in Mexiko. Dort gibt es zum Teil ähnliche Entwicklungen. Der in Essen ansässige Chemiekonzern Evonik zum Beispiel setzte seinen wasserspeichernden „Superabsorber“ schon vor zwei Jahren beim Anbau von Arganbäumen in Marokko ein. Auch Gärtner und Blumenfreunde kennen die wasserspeichernden Granulate. Bei der Menge des gespeicherten Wassers ist Lluvia Sólida jedoch führend.

Versuchsprogramm n Russland

Demnächst wird Rico nach Russland reisen, wo das Landwirtschaftsministerium ein Versuchsprogramm auf 2.000 Hektar angeschoben hat. Davon kann Rico in Mexiko nur träumen, obwohl der Klimawandel sich in verspäteten und sinkenden Niederschlägen bemerkbar macht und ganze Regionen unter Dürre leiden. In Jalisco, dem im Westen an der Pazifikküste liegenden Bundesstaat, hat die Umweltschutzorganisation Aipromades Lluvia Sólida eingesetzt und erhebliche Mengen an Wasser beim Maisanbau eingespart. Auch die Erträge konnten spürbar erhöht werden.

Das soll auf dem Versuchsfeld nun im Laufe der nächsten Jahre wissenschaftlich bewiesen werden. Mit acht bis zehn Jahren gibt Rico die Haltbarkeit an, dann lässt die speichernde Wirkung der Polymere nach. Das Granulat kann laut dem Erfinder im Boden verbleiben, weil es unbedenklich ist.

„Aber auch das muss erst nachgewiesen werden“, so Edgar Quero, der heute mit Agraringenieur Everardo Lovera Gómez aufs Feld gekommen ist. Deshalb sind die Studien der Inifap so wichtig für Rico, und deshalb beteiligt sich der Industriechemiker auch an den Kosten.

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