Großeinsatz gegen linkes Hausprojekt: Hausverbot für Polizisten

Die Nerven liegen blank im Konflikt rund um das Hausprojekt in der Rigaer Straße 94 in Berlin. Jetzt wird es selbst beim Bäcker gegenüber ungemütlich.

Grafitti an einer Mauer vor ein Villa

Wegen Schmierereien und Brandanschlägen hat die Polizei jetzt eine Sonderermittlungsgruppe eingesetzt Foto: dpa

BERLIN taz | In der Rigaer Straße schaukelt sich die Stimmung hoch. Die permanente, vermutlich noch Wochen andauernde Präsenz dutzender Beamter wird von vielen AnwohnerInnen als Provokation betrachtet. Ein Konflikt rund um die Kiezbäckerei zeigt die Angespanntheit bis auf die höchste politische Ebene.

Am Mittwoch vergangener Woche hat der Eigentümer Teile des linken Hausprojektes Rigaer 94 von Bauarbeitern ausräumen lassen. Die Arbeiter rückten mit einem privaten Sicherheitsdienst sowie 300 Polizeibeamten an. Eine Gefahrenanalyse habe ergeben, dass das Polizeiaufgebot nötig sei, um die Arbeiter zu schützen, rechtfertigte Innensenator Frank Henkel (CDU) den Einsatz.

In den vergangenen Jahren war es eigentlich eher ruhig geworden in der ehemals heiß umkämpften Rigaer Straße. Trotzdem hatte die Polizei ihre Strategie im Herbst geändert und mit diversen Großeinsätzen, Straßensperrungen, verdachtsunabhängigen Personenkontrollen und Hausbegehungen den Druck erhöht. „Wir sorgen hier gerade nicht für Balance“, so ein Polizeibeamter gegenüber Anwohnern.

Mieter niedergerungen

Die aktuellen Bauarbeiten dauern an, die Polizeiabsperrung vor dem Haus auch. Am Sonntagabend war nun ein Mieter aus dem Vorderhaus der Rigaer 94 von der Polizei vor den Augen seiner Kinder niedergerungen und festgenommen worden. Wie die Kinder und AugenzeugInnen berichten, habe es Gerangel um ein Handy gegeben, mit dem die Kinder Polizeibeamte filmten. Der Familienvater soll erhebliche Verletzungen davongetragen haben.

Bewohner und Sympathisanten gaben hierzu am Montagabend eine Kundgebung vor dem benachbarten Hausprojekt Liebigstraße 34. Von SprecherInnen und aus den Reihen der rund 300 Anwesenden waren sowohl substanzielle Kritik am Vorgehen der Polizei als auch Hasstiraden und Beschimpfungen zu hören.

Auch in den Häusern und Geschäften rund um die Rigaer 94 häufen sich Proteste gegen die Polizeiaktion. In einem der frisch sanierten Häuser schräg gegenüber – an dem jüngst noch Farbbomben prangten – hat ein Bewohner „Schluss mit dem Polizeiterror“ an die Scheibe geklebt. Diverse Anwohner bekunden ihre Solidarität mit dem Hausprojekt via Transparenten von Balkon oder Fenster.

Hausverbot für Polizisten

In der Bäckerei unweit der Rigaer 94 hatten MitarbeiterInnen am Montag einen Zettel aufgehangen, mit dem sie der Polizei Hausverbot für Toilettengänge und Einkauf erteilten. Nach einer Verwarnung habe man den Zettel wieder abgenommen, „wir sind mit den Nerven am Ende“, so ein Mitarbeiter. Doch die Sache hatte ein Nachspiel im Politzirkus: Die Gewerkschaft der Polizei rief auf ihrem Facebook-Account die Berliner Polizei dazu auf, eventuelle Notrufe der Bäckerei nicht zu beachten.

Als die Friedrichshainer Abgeordnete Canan Bayram (Grüne) via Twitter fragte, ob das Verhalten der Bäckerei mit Polizei-Schikane gegen Anwohner zu tun habe, legte Innensenator Henkel nach. „Perfide und widerlich“ nannte er die Äußerung Bayrams. Der Regierende Michael Müller (SPD) stellte sich hinter Henkels Kritik und forderte Anerkennung für Polizisten: ‚Hausverbote‘ und unangemessene Tweets gegen Polizisten seien definitiv keine Antwort. CDU-Fraktionsvorsitzender Florian Graf sprach von einer „Schande für das Abgeordnetenhaus“.

Während es in der Rigaer Straße trotz Provokationen relativ ruhig bleibt, bringt die Polizei andernorts brennende Autos in direkten Zusammenhang mit dem großen Polizeieinsatz. Nach eigenen Angaben registrierte sie mehr als 100 Sachbeschädigungen aus den vergangenen sechs Nächten. Auf Beschluss von Innensenator Henkel und Polizeipräsident Klaus Kandt wurde nun eine Sonderermittlungsgruppe mit Namen „LinX“ eingerichtet.

Auch Anwohner rund um die Rigaer 94 rufen zu weiteren Aktionen auf: Allabendlich soll in der Nachbarschaft unter dem Motto „Wir wollen unsere Straße zurück“ solidarisch gescheppert werden. Ab 21 Uhr mit Töpfen und Kochlöffeln, aus Fenstern und Balkonen. „Wir schlafen kaum noch, aber immerhin schweißt das Ganze zusammen“, sagt ein Bewohner der Rigaer 94.

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