Google kauft Motorola: Schnell, schnell – patentieren!

Google kauft sich beim Handykonzern Motorola ein. Konkurrenten wollen banale Innovationen schützen lassen. Über Patentwahnsinn auf dem Smartphonemarkt.

Was man am Ohr trägt? Inzwischen fast so eine Art Glaubensfrage. Bild: reuters

BERLIN taz | Genau 10 Dollar waren es, die den Italiener Antonio Meucci um einen Eintrag in die Geschichtsbücher brachten. Denn genau diese Summe fehlten dem armen Kautz 1871, um seine Erfindung patentieren zu lassen - das "teletrofono". Ein gewisser US-Amerikaner Namens Alexander Graham Bell, der zufällig im selben Labor wie Meucci arbeitete, reichte dieselbe Erfindung ein und wurde weltberühmt.

140 Jahre später kauft Google die Handysparte des Handykonzerns Motorola. Für 12,5 Milliarden Dollar. Warum, darüber gibt es viele Theorien, Google selbst sagt: wegen der 17.000 Patente, die Motorola gehören und die teilweise grundlegende Techniken von Handys und Smartphones schützen. Jetzt gehören sie Google, der Firma, die in 100 Jahren vermutlich jedes Schulkind fälschlicherweise als Erfinder des Internets preisen wird.

Augenscheinlich geht es um eine der üblichen Wirtschaftsschlachten um Märkte und Kunden, wie sie in jeder Branche stattfinden. Nur hört man im Fall Motorola hin, weil Apple und Google sexy sind, die russische Firma VimpelCom dagegen weniger - auch wenn sie 2010 die italienische Wind Telekom für 21,9 Milliarden Dollar gekauft hatte, ohne dafür viel Medienaufmerksamkeit zu bekommen.

Zum Krieg geblasen

Momentan ziehen Granden des Marktes mit Pauken und Trompeten in den Krieg: Microsoft verbündet sich mit Nokia, Google kauft Motorola und vertreibt mit 33 anderen Firmen ein Smartphone-Betriebssystem namens Android, Apple ist nicht mehr niedlich, sondern die wertvollste Firma der Welt. Und der Vollständigkeit halber sei noch das kanadische Unternehmen Research in Motion mit Blackberry als vierte Kriegspartei erwähnt.

Sie alle kämpfen um den Markt der Zukunft: Smartphones, tragbare Minicomputer in Handygröße. Jede der Parteien will ihr eigenes Betriebssystem auf dieser übernächsten Evolutionsstufe des Teletrofonos durchsetzen. Denn wer sein System durchsetzt, der setzt auch sein Geschäftsmodell durch.

Und wer gewinnt? Die mit den besten Anwälten. Dass Bell und Meucci tatsächlich etwas erfunden haben, wird wohl niemand bestreiten. Im modernen Markt allerdings versuchen alle alles zu patentieren - Apple beispielsweise die Idee, ein Smartphone mit einer Wischbewegung zu entsperren. Hätte es den Wahnsinn in der Form schon vor 10.000 Jahren gegeben, vermutlich wäre das Rad patentiert worden. Nun hat Microsoft 17.000 Patente im Arsenal, Apple rund 4.000, Googles Munitionsvorrat stieg mit dem Motorola-Deal von zuvor 600 auf über 17.000.

Der Innovationstod

Mit der ursprünglichen Idee, dem Schutz geistigen Eigentums, hat das nur noch bedingt zu tun. Jeder verklagt im Prinzip jeden, um Lizenzgebühren für Ideen zu kassieren, auf die jeder vernünftige Mensch beim Kacken kommt. Google zum Beispiel versucht seinen "Highlight all"-Button zu patentieren, eine Funktion, die automatisch alle Treffer einer Suche hervorhebt. Solche Patente töten Innovationen, weil jedes Software-Start-up Angst haben muss, Post von einem Patentanwalt zu bekommen.

Das Seltsame daran: Google selbst zeigt, dass es auch anders geht. Bereits 1983 gründete sich die sogenannte Freie-Software-Bewegung, die genau diesen Wahnsinn verhindern wollte. Jeder, der Lust hatte, sollte Software beliebig modifizieren, umwandeln, umschreiben und kopieren dürfen. Heute ist daraus eine Fülle an Modellen entstanden, mit denen so entstandene Software vermarktet werden kann.

Google selbst hat daraus reichlich Kapital geschlagen, seine Gründer sind Fans von "Open Source" - so nennt sich die Software, bei der jede Programmzeile von jedem verändert werden kann. Auch Googles Smartphone-Betriebssystem "Android" ist Open Source - jeder kann es herunterladen und modifizieren. Google nutzt es, um Werbung zu platzieren und Nutzer anzulocken. Ein effektives Geschäftsmodell: Mal das Wissen vieler nutzen. Und ein anderes Mal klagen, wenn es andere gleichtun wollen.

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