Götzes Transfer zu den Bayern: Wahn, Wechsel, Wehe

Die Bayern kaufen Mario Götze aus seinem bestehenden Vertrag raus. Über Uli Hoeneß redet dank dieser Volte vorerst keiner mehr.

Verlässt den BVB Richtung München: Mario Götze. Bild: dpa

BERLIN taz | Sie haben sich in München unangreifbar gefühlt. Der FC Bayern spielt bisher unstrittig eine makellose Saison: Deutscher Meister in Rekordzeit, Pokalfinale, Halbfinale in der Champions League.

Die Gegner – ob nun der HSV, Wolfsburg oder Juve – wurden reihenweise mühelos auseinandergenommen. Dann fiel vor ein paar Tagen der Mann, dem der Verein nahezu alles zu verdanken hat. Deutschlands führender Fußballgutmensch Uli Hoeneß hat Teile seines Vermögens jenseits der Alpen geparkt statt in Deutschland Steuern zu zahlen.

Eine Saison der Superlative, eine Spielzeit wie aus dem Lehrbuch drohte – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – in einem bundesweiten Moraldiskurs, in Schadenfreunde und Enttäuschung zu versumpfen. Dem der altruistischen Selbstinszenierung anheim gefallenen Hoeneß drohte ein Wechsel vom Paulus zum Saulus.

Doch während in den Talkshows die Frage erörtert wurde, wie nun der Ruf von Bayerns zweiter Lichtgestalt zu retten sei, wurde am Dienstagmorgen leichtfüßig die Diskussion ausgehebelt – via Bild-Zeitung. Denn diese verkündete „exklusiv“ neben der pflichtgemäß tragischen Frage, ob der arme Uli Hoeneß „börsen-süchtig“ sei, fast stiefmütterlich auf dem Titel, dass Dortmunds Spielmacher Mario Götze ab der nächsten Saison für die Bayern zaubern darf.

Bumm. Für die festgeschriebene Ablösesumme von 37 Millionen Euro wechselt der 20-Jährige an die Säbener Straße.

Strategisch genialer hätte man in München nicht agieren können: Man stärkt sich personell und sportlich den Rücken vor den Champions-League-Duellen gegen den ersten ernstzunehmenden Gegner in dieser Saison, den FC Barcelona. Man schenkt dem neuen Trainer Pep Guardiola seinen Wunschspieler. Man schwächt Borussia Dortmund vor dessen Spielen gegen Real Madrid. Und: das öffentliche Interesse geht weg vom Selbstanzeiger Hoeneß, der sich jetzt in aller Ruhe – wie im Kicker jüngst angekündigt – Sorgen um das große „Leistungsgefälle in der Liga“ machen kann.

Psychologische Kriegsführung

Ein kleines Detail bestätigt markant den gesicherten sportlichen Diskurs („Wer kann die Bayern eigentlich noch schlagen?“) und lässt einen fragilen gesellschaftspolitischen („Wer ist Uli Hoeneß wirklich?“) vorerst in den Hintergrund treten. Dass die Rot-Weißen in München die psychologische Kriegsführung beherrschen, ist kein Geheimnis. Allerdings hätte wohl keiner mit solch einer Bayern-Schläue gerechnet. Man könnte es auch mit Carl von Clausewitz sagen: „Die reiche Saat des Sieges wird nicht mit der Sense, sondern mit der Sichel geschnitten“.

Beim BVB, dessen Achillesferse die Bayern-Sichel voll erwischte, betonte man zerknirscht, der zur nächsten Saison Scheidende habe sich „absolut vertragskonform“ verhalten. Man rief den eigenen Anhang dazu auf, Mario Götze weiter „bedingungslos zu unterstützen wie jeden anderen Dortmunder Profi“. Das dürfte nicht wenigen auf der größten Stehplatz-Tribüne Europas am Mittwoch gegen die Königlichen schwerfallen.

Die Bayern sind dort fast so beliebt wie die verhasste Konkurrenz aus Gelsenkirchen, was man in München nur zu gut weiß. Das Heimspiel gegen Real wird von einem nervösen Hintergrundrauschen begleitet werden. Klare Emotionen bleiben im Westfalenstadion eher selten im Verborgenen.

Verbitterter Hinweis aus Dortmund

Wie machtlos sich die Dortmunder fühlen müssen, mal ganz abgesehen davon, was das Bekanntwerden des Götze-Transfers im hochgerühmten Mannschaftsverbunds beim BVB kurzfristig anrichten könnte, zeigte auch der verbitterte Hinweis auf der eigene Website, dass sich „bis zum heutigen Tag kein Offizieller“ der Bayern gemeldet habe.

Die Erwiderung der Münchner im Netz wirkte dann wie dreiste Heuchlerei: „Aus Rücksicht auf das anstehende Halbfinalspiel in der Uefa Champions League zwischen Dortmund und Real Madrid wollte der FC Bayern München dies (die Götze-Verpflichtung, Anmerk. d. Redak.) erst nach dieser Begegnung gegenüber dem BVB anzeigen.“ Die Sichel traf nochmal.

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