Göppinger Neonazis vor Gericht: Propaganda und Morddrohungen

Es ist einer der größten Prozesse in Baden-Württemberg gegen Rechtsextremisten: Vier mutmaßliche Anführer der „Autonomen Nationalisten“ sind angeklagt.

Ein Angeklagter (li.) wird von Justizbeamten in den Saal geleitet. Bild: dpa

STUTTGART taz | Die „Autonomen Nationalisten Göppingen“ haben ihre namensgebende Stadt seit 2010 mit rechten Parolen überzogen: Sie schrieben laut Staatsanwaltschaft Stuttgart „NS-Zone“ und „Rudolf Heß – Märtyrer sterben nie“ mit Sprühfarbe auf Hauswände, oder klebten Sticker mit Sprüchen wie „Unserem Volk eine Zukunft“ auf Straßenlaternen und Zigarettenautomaten. Göppingen, 55.000 Einwohner, am Fuß der Schwäbischen Alb sollte ihrer Idee nach zur sogenannten nationalbefreiten Zone werden, ein erster Schritt auf dem Weg zur Wiedererrichtung des Nationalsozialismus.

Seit Donnerstag sind vier mutmaßliche Rädelsführer der „Autonomen Nationalisten“ am Landgericht Stuttgart angeklagt. Ihnen wird die Gründung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen sowie etliche Straftaten, die sie im Namen ihrer Gruppe begangen haben sollen.

Zum Beispiel sollen sie mit weißen Masken, schwarzer Kleidung und Fackeln umhergezogen sein, das Ganze gefilmt und zur Einschüchterung ihrer Gegner, insbesondere antifaschistischer Bündnisse, im Internet veröffentlicht haben. Es wird berichtet, sie hätten einen Infostand des „Aktionsbündnisses Kreis Göppingen nazifrei“ angegriffen. Gegen ein Mitglied des Bündnisses haben sie laut Staatsanwaltschaft sogar eine Morddrohung ausgesprochen.

Der Prozess gilt als einer der größten Prozesse gegen Rechtsradikale in Baden-Württemberg. Das Innenministerium hatte die „Autonomen Nationalisten Göppingen“ nach umfangreichen Ermittlungen im Dezember 2014 verboten. Minister Reinhold Gall (SPD) sagte: „Wir dulden in Baden-Württemberg keine rechtsextremistischen Vereinigungen, die in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweisen.“ Zuletzt war laut Innenministerium 1993 eine rechtsextreme Gruppe in Baden-Württemberg verboten worden, die Heimattreue Vereinigung Deutschlands.

Mehr als „ein, zwei Chaoten“

Am Donnerstag im Gerichtssaal geben sich gut zehn Unterstützer der Rechten zu erkennen: Sie stehen auf, als die Angeklagten hereingeführt werden. Bei ihrem geschlossenen Abschied nach rund einer Stunde Anklageverlesung grüßen sie Richtung Anklagebank. Unter ihnen befindet sich ein mehrfach beschuldigter Mann, vermutlich ebenfalls ehemaliges Mitglied der „Autonomen Nationalisten Göppingen“, der laut Staatsanwaltschaft jedoch gesondert verfolgt wird.

Ein Sprecher des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region ist ebenfalls im Saal. Über die „Autonomen Nationalisten Göppingen“ sagt er: „Die haben versucht, die Stadt für sich zu proklamieren“. In Göppingen hätte insbesondere die Stadtverwaltung die Bewegung anfangs „für ein, zwei Chaoten“ gehalten. Erst mit der Zeit habe sich ein breites Gegen-Bündnis gebildet.

Trotz der Auflösung der „Autonomen Nationalisten Göppingen“ habe die Region weiterhin „ein Nazi-Problem“. Er berichtet, dass sich die Schwerpunkte rechtsextremer Aktivitäten nur verlagert hätten, etwa zu den „Freien Nationalisten Esslingen“ sowie in die Regionen Heilbronn und Pforzheim.

Szeneanwalt und Sänger

Der Verteidiger Andreas Wölfl stellt am ersten Verhandlungstag den Antrag, den Prozess einzustellen. Die Anklage sei mangelhaft, insbesondere bei den Angaben zum Gründungszeitpunkt der kriminellen Vereinigung zu unkonkret. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Claudia Krauth, sagt dazu auf Anfrage: „Das Gericht hat die Anklage zugelassen, und geht damit ebenso wie wir von der Staatsanwaltschaft davon aus, dass die Anklage ausreichend konkret ist.“

Ein weiterer Verteidiger ist Steffen Wilfried Hammer. Ein Anwalt, der in der rechten Szene bekannt ist. Der Prozess ist bis Anfang 2016 terminiert. Die Zeugenliste ist Berichten zufolge über 130 Namen lang.

Anmerkung der Redaktion, 27. Januar 2015: „In einer früheren Version dieses Artikels haben wir behauptet, dass Steffen Wilfried Hammer als Sänger der rechten Band „Noie Werte“ mehrfach bei Auftritten den Hitlergruß gezeigt haben soll. Diese Behauptung widerrufen wir hiermit als unwahr.“

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