Gladbecker Geiseldrama: Dieter Degowski kommt frei

Nach fast 30 Jahren wird der erste der beiden Gladbecker Geiselnehmer entlassen. Dieter Degowski wird einen neuen Namen erhalten.

eiselnehmer Dieter Degowski, links, haelt der Geisel Silke Bischoff am 18. Aug. 1988 in einem Auto in Koeln eine Waffe an den Kopf.

Degowski hält der Geisel Silke Bischoff am 18. August 1988 in einem Auto in Köln eine Waffe an den Kopf Foto: ap

ARNSBERG dpa | Einer der beiden Geiselgangster von Gladbeck, Dieter Degowski, wird nach fast 30 Jahren Haft entlassen. Der 61-jährige Degowski werde in den nächsten Monaten frei kommen, teilte ein Sprecher des Landgerichts Arnsberg am Dienstag mit. Das Gladbecker Geiseldrama ging als eines der spektakulärsten Schwerverbrechen in die deutsche Kriminalgeschichte ein.

Die Freilassung sei umfassend geprüft worden. Die zuständige Kammer habe Gutachten und Stellungnahmen eingeholt und sich den positiven Prognosen angeschlossen, so das Gericht weiter. Die Entscheidung sei noch nicht rechtskräftig. Degowski wird einen neuen Namen erhalten, um ihm die Wiedereingliederung zu erleichtern. Zuerst hatte der „Soester Anzeiger“ berichtet.

Das Landgericht Arnsberg hatte die JVA Werl bereits 2013 aufgefordert, Degowski schrittweise auf die Entlassung vorzubereiten. Daraufhin hatte er zunächst begleitete und später unbegleitete Ausgänge ohne Beanstandungen bewältigt.

Im August 1988 hatten Degowski und sein ein Jahr jüngerer Komplize Hans-Jürgen Rösner die Republik in Atem gehalten. Drei Tage lang flüchteten sie nach einem missglückten Bankraub in Gladbeck mit Geiseln quer durch die Republik vor der Polizei. Drei Menschen starben.

Das Essener Landgericht hatte am 22. März 1991 nach 109 Verhandlungstagen das Urteil verkündet. Degowski und Rösner wurden zu lebenslanger Haft verurteilt, Degowski mit besonderer Schwere der Schuld, Rösner mit anschließender Sicherungsverwahrung. Der sitzt nach wie vor im Gefängnis – zuletzt in der JVA Aachen.

Interviews mit den Tätern

Das 54-stündige Drama hatte sich über Hunderte Kilometer vor den Augen der Öffentlichkeit abgespielt. In der Kölner Fußgängerzone gaben die Schwerverbrecher während der Tat Interviews – dafür mussten die Medien viel Kritik einstecken. Der Deutsche Presserat legte danach fest, dass während der Tat mit Straftätern keine Interviews geführt werden sollten.

Am Ende des Gladbecker Geiseldramas waren zwei erschossene junge Geiseln und ein toter Polizist zu beklagen. Es war Degowski, der an der Raststätte Grundbergsee den 15-jährigen Emanuele De Giorgi erschoss, weil die Polizei die Freundin Rösners festgenommen und nicht rasch genug wieder freigelassen hatte. Dass er den jungen Italiener für den Mord auswählte, der sich noch schützend vor seine kleine Schwester gestellt hatte, hatte der Sonderschüler mit seiner Ausländerfeindlichkeit begründet.

Rösner war es, der die 18-jährige Geisel Silke Bischoff erschoss – möglicherweise genau in dem Moment, als er selbst von einer Polizeikugel getroffen wurde.

Nach 54 quälenden Stunden erfolgte der Zugriff einer Spezialeinheit bei Bad Honnef – die Gangster hatten Köln verlassen und wollten nach Frankfurt. Die Beamten hatten die Fernbedienung vergessen, mit der sie den Motor der schweren Flucht-Limousine ausschalten wollten. Sie mussten den Wagen in einem waghalsigen Manöver bei Tempo 100 auf der Autobahn rammen. Es kommt zu einer heftigen Schießerei, bei der Silke Bischoff stirbt.

Das Urteil beinhaltete eine Reihe weiterer Straftaten, die während des Geiseldramas begangen wurden. So etwa mehrere Mordversuche an Polizisten, oder an Menschen, die die Gangster dafür hielten. Unter anderem war auch ein dpa-Reporter von ihnen beschossen worden.

In der Folge tagten in Bremen und Düsseldorf Parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Der Bremer Innensenator Bernd Meyer (SPD) trat wegen des Geiseldramas zurück. Die Polizei organisierte sich für solche Ereignisse neu.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.