Gesetzentwurf Tarifeinheit: Immer auf die Kleinen

Das Kabinett hat den umstrittenen Gesetzentwurf gebilligt. Arbeitgeber und IG Metall freut es. Spartengewerkschaften wollen dagegen klagen.

Demo gegen die Tarifeinheit im November 2014 in Berlin. Bild: dpa

BERLIN taz | Gegen alle Proteste der Berufsgewerkschaften und des Deutschen Beamtenbundes hat am Donnerstag das umstrittene Tarifeinheitsgesetz das schwarz-rote Bundeskabinett passiert. Der von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) eingebrachte Entwurf sieht vor, dass im Falle kollidierender Tarifverträge nur noch die im Betrieb mitgliederstärkste Gewerkschaft zum Zuge kommt.

Mit dem Gesetz, das im Frühjahr im Bundestag verhandelt und im Sommer kommenden Jahres in Kraft treten soll, will die Regierung Regeln für Konflikte zwischen konkurrierenden Arbeitnehmervertretungen innerhalb eines Betriebs aufstellen. Aktuelles Beispiel ist die Auseinandersetzung der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) bei der Deutschen Bahn, die für dieselben Berufsgruppen divergierende Tarifverträge abschließen wollen.

Das soll künftig nicht mehr möglich sein. Wenn eine Gewerkschaft die meisten Beschäftigten in einer Berufsgruppe – wie die GDL bei den Lokführern – organisiert, aber im Gesamtbetrieb nur in der Minderheit ist, hat sie im Konfliktfall nicht mehr viel zu melden.

„Eine starke Sozialpartnerschaft braucht eine starke Arbeitnehmerinteressen-vertretung“, sagte Nahles. Deshalb müsse eine Entsolidarisierung innerhalb der Beschäftigten verhindert werden. „Mit dem Gesetz zur Tarifeinheit wollen wir Kooperation und gütliche Einigung bei Tarifkollisionen fördern“, so Nahles. Zwar werde das Mehrheitsprinzip gestärkt, kleinere Gewerkschaften würden gleichwohl wirksam geschützt, versicherte sie. Was diese allerdings vehement bestreiten.

„Das ist eine Kampfansage der Bundesregierung an die Berufsgewerkschaften“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Michael Konken. Es handele sich um einen „schwarzen Tag für gewerkschaftliche Grundrechte“, sagte der Vorsitzende der Ärztevereinigung Marburger Bund, Rudolf Henke.

Angst um Zukunft der Arbeitskämpfe

Empört zeigte sich auch der Präsident der Vereinigung Cockpit, Ilja Schulz. „Es ist unverständlich, wie die Regierung trotz unzähliger Gegenstimmen und eindeutiger Rechtsgutachten an diesem Verfassungsbruch festhalten kann“, sagte er.

Der Deutsche Beamtenbund (dbb) kündigte Verfassungsklage an, sollte das Gesetz tatsächlich in der vorgesehenen Form vom Bundestag beschlossen werden. „Natürlich werden wir den Rechtsweg beschreiten“, sagte der dbb-Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt. Obwohl Streikrecht und Friedenspflicht nicht ausdrücklich erwähnt würden, verunmögliche das Gesetz Arbeitskämpfe kleinerer Gewerkschaften.

Das ist tatsächlich einer der zentralen Knackpunkte. Denn nach deutschem Recht muss das mit einem Streik verfolgte Ziel sowohl tariflich regelbar als auch tarifrechtlich zulässig sein. Eine kleinere Gewerkschaft könnte jedoch keinen eigenständigen Tarifvertrag mehr abschließen – entsprechend chancenlos wäre sie vor den Arbeitsgerichten. In der von Schwarz-Rot beschlossenen Gesetzesbegründung heißt es dazu: „Über die Verhältnismäßigkeit von Arbeitskämpfen, mit denen ein kollidierender Tarifvertrag erwirkt werden soll, wird allerdings im Einzelfall im Sinne des Prinzips der Tarifeinheit zu entscheiden sein.“

Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände und die IG Metall begrüßten den beschlossenen Gesetzentwurf. „Mit dem Mehrheitsprinzip ist geklärt, dass eine solidarische Tarifpolitik für alle Beschäftigtengruppen Vorrang vor Partikularinteressen hat“, sagte IG-Metall-Chef Dietrich Wetzel.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.