Gerüchte um Verkauf der Roten Flora: Vorbereitungen auf „zeitnahen Angriff“

Die Rote-Flora-Aktivisten wappnen sich, um das besetzte Stadtteilzentrum im Notfall zu verteidigen. Sie rechnen mit Provokationen.

Haben sich klar positioniert: Die Nutzer der Roten Flora. Bild: dpa

Das hat sich der Altonaer CDU-Fraktionsvorsitzende Uwe Szczesny sicherlich nicht träumen lassen, dass einmal ein Zitat von ihm die Rote Flora schmückt. Doch seit Freitag hängt sein Spruch: „Wer die Rote Flora kaufen will, muss Stress mögen“, als Plakatwand an der Fassade des besetzten Stadtteilzentrums. Hintergrund: Es verdichten sich Informationen, dass der Besitzer und Event-Investor Klausmartin Kretschmer die Immobilie an die „Baer und Baer Consulting“ veräußert hat, um seine Liquidität wieder herzustellen, ohne dies bislang im Grundbuch einzutragen.

Ob der vermeintliche Investor und Anwalt Gert Baer die Immobilie tatsächlich gekauft hat, ist immer noch nicht definitiv bestätigt. Baer war auch Freitag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen, obwohl sein Büro mehrfach zusicherte, dass er zurückrufen werde.

In der Roten Flora hat sich ein Plenum mit der neuen Situation befasst. „Wir nehmen den Verkauf als Angriff sehr ernst“, sagte ein Flora-Sprecher am Freitag auf einer Pressekonferenz. „Herr Baer ist kein Mäzen, sondern ein hanseatischer Kaufmann, den Profit interessiert“, ergänzte eine Sprecherin. Für die Flora sei eine Situation entstanden, „in der wir einen zeitnahen Angriff auf das Projekt für möglich halten“.

Die Beteuerungen von Bezirkspolitikern, durch die Verlängerung des Sanierungsgebiets und die geplante Verabschiedung des Bebauungsplans „Sternschanze 7“ sei eine Räumung oder Abriss unmöglich, schätzen die Berater der Rotfloristen anders ein. „Der Bebauungsplan ist längst nicht in Stein gemeißelt – er tritt auch erst in einem halben Jahr in Kraft. Das Zeitfenster drängt Herrn Baer nur zur Eile“, sagt ein Flora-Sprecher. „Baer will offenbar das aktuelle planungsrechtliche Vakuum nutzen, um profitable Nutzung in einem der teuersten Quartiere Deutschlands mit entsprechenden Gewinnerwartungen zu realisieren.“

Rein rechtlich wäre der normale Weg, wenn den Rotfloristen das vertraglich garantierte Nutzungsrecht streitig gemacht werden soll, dass der neue Besitzer oder Mieter die Flora-NutzerInnen herausklagt – das ist langwierig und kompliziert. „Gegen wen will man denn da eigentlich klagen“, sagt der Anwalt von „Mieter helfen Mietern“, Marc Meyer, der die Rotfloristen berät. Erst wenn es einen gerichtlichen Räumungstitel gibt, wäre die Polizei zur Räumung verpflichtet – wenn dies nicht aus politischen Gründen vom SPD-Senat unterbunden wird.

Mancher Politiker ist sicher, dass man die Rote Flora durch folgende drei Punkte abgesichert hat:

Der Kaufvertrag, durch den Klausmartin Kretschmer 2001 die Rote Flora von der Stadt erwarb, enthält eine Klausel, dass das Gebäude auch nach einem Verkauf nur als Stadtteilkulturzentrum genutzt werden darf.

Das Sanierungsgebiet ist verlängert worden, mit dem Ziel, das Gebäude in der Funktion eines Kulturzentrums zu erhalten.

Der Bebauungsplan "Sternschanze 7" enthält eine Veränderungssperre, die den Erhalt des Gebäudes in seiner Funktion als Kulturzentrum vorsieht.

Jedoch gibt es auch andere Szenarien, vor denen skrupellose Spekulanten andernorts nicht zurückgeschreckt haben. „Ein Angriff in Form einer überfallartiger Räumung durch private Sicherheitsdienste“, beschreibt ein Flora-Sprecher ein mögliches Szenario. Auch über eine mögliche „Brandsanierung“ habe das Plenum am Vorabend lang diskutiert, die nicht ausgeschlossen und längst gängige Praxis sei, um Neubauten zu ermöglichen: „Wenn das Gebäude nicht mehr wäre, würden sich viele Probleme des Investors erledigen“, so der Sprecher.

Anwalt Meyer kann sich eine weitere kuriose Variante vorstellen. Eine klammheimliche Besetzung durch Securitys, wenn das Gebäude nachts leer steht. Und wenn die Rotfloristen dann am Morgen erschienen, würden die Leute den Kretschmer-Mietvertrag hochhalten. „Dann müsste die Rote Flora Strafantrag wegen Hausfriedensbruch stellen“, sagt Meyer. Ob die Polizei dann einschreitet oder im Hinblick auf den Mietvertrag auf den zivilrechtlichen Weg verweist, sei noch eine andere Frage.

„Den Rechtsweg werden wir nicht einlegen – das ist nicht unser Konzept“, so die Flora-Sprecher unisono. „Wir sind für alle Varianten gewappnet und gut aufgestellt.“ Für den Fall einer sich abzeichnenden Räumung gebe es in der gesamten Stadt Demos und Aktionen und aufgrund der internationalen Vernetzung auch in europäischen Städten, in denen Baer Consulting Immobilien besitzt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.