Geplante Skipiste im Harz: Waldsterben vorerst gestoppt

Nach einer Klage des BUND wird die Rodung des Wurmbergs unterbrochen: Ein Seilbahnbetreiber will dort ein Wintersportzentrum bauen.

Zwangspause: Hier wird vorerst nicht weiter abgeholzt. Bild: dpa

BREMEN taz | Jetzt ist Ruhe am Wurmberg, eine Zeit lang: Vorerst werden keine weiteren Bäume gefällt. Zwar ist schon eine gewaltige Schneise geschlagen am Südosthang der höchsten Erhebung Niedersachsens, im Harz. Aber seit Donnerstag lässt Seilbahnbetreiber Dirk Nüsse die Arbeit ruhen – nachdem der Naturschutzverband BUND einstweiligen Rechtsschutz beantragt hatte, beim Verwaltungsgericht Braunschweig.

Nüsse ist Bauherr. Er selbst steckt 8,8 Millionen Euro in das Wintersportzentrum in sonniger Südostlage, Braunlage ist mit 1,1 Millionen Euro dabei, in gleicher Höhe sollen Landesmittel fließen.

Den Schnee, dessen Höhe im Harz laut Langzeitstudien um einen Zentimeter pro Jahr abnimmt, will Nüsse künstlich erzeugen. Dass es auch dafür kühl genug sein muss und die Luft nicht zu feucht sein darf, ficht ihn nicht an. Riesig sind die Hoffnungen, dass sich so der einst rege Harz-Tourismus wiederbeleben ließe.

Ostentative Gelassenheit

Der BUND indes zweifelt: Als akut bedroht sehen die Umweltschützer derzeit vor allem alte Fichtenbestände, daher das Eilverfahren. Geklagt hat der Verband gegen den Planfestellungsbeschluss, der erst nach Rodungsbeginn vorlag, auch gegen den städtischen Bebauungsplan wird man vorgehen.

Ganz aussichtslos ist die Klage offenbar nicht: Zwar vertraut Bauherr Nüsse dem NDR an, der Stopp sei „zum jetzigen Zeitpunkt einfach nur ärgerlich“ und seine eigene souveräne Entscheidung. Man prüfe noch, ob ihn zu fordern überhaupt zulässig war. Aber diese ostentative Gelassenheit passt nicht zur erstaunlichen Hektik, mit der das Vorhaben aufs Gleis gesetzt worden war.

Erst am 8. August hatte der Stadtrat Ja zur Maßnahme gesagt. Entgegen der Ankündigung von Bürgermeister Stefan Grote (SPD) begannen die Sägen sich unmittelbar darauf, sich mitten in der letzten Waldvogel-Brutperiode durchs Gehölz zu schneisen. Bis Ende des Monats will man 16,2 Hektar Wald beseitigen. Andernfalls könnte die Förderkulisse verfallen, heißt es.

Ein endgültiger Stopp des Vorhabens per Gericht – den erwartet BUND-Mann Friedhart Knolle nicht: „Unser Ziel ist es, wenigstens die Ökobilanz zu verbessern“, sagt er. Dass die Klage dafür not tut, ist offenkundig, nachdem Einsprüche und Bedenken im ordentlichen Planungsverfahren recht pauschal vom Tisch gewischt worden waren.

Ernste Bedenken hatte zuletzt Kunstschnee-Forscherin Carmen de Jong vorgetragen: Die Professorin der Université de Savoye wies die Harzer Ende Juli darauf hin, dass einerseits die für einen wirtschaftlichen Skibetrieb erforderlichen 100 Schneetage auch mit künstlicher Beschneiungsanlage kaum zu erreichen wären: Und eine nicht rentable Anlage bedeutet für die Kommune das Risiko, „bereits in einigen Jahren finanziell in die Pflicht genommen zu werden oder aber vor einer Investitionsruine zu stehen“.

Das Elend der Groppe

Andererseits warnte de Jong vor gravierenden hydrologischen Auswirkungen: Die Bode, ein geschützter Elbzufluss, in dem die gefährdete Fischart Groppe lebt und laicht, drohe im Sommer und Herbst Niedrigwasserprobleme zu bekommen. Im Frühjahr hingegen werde die zusätzliche Schmelze periodisch Hochwasser verursachen – und damit Erosion.

De Jong hatte sich aus eigenem Antrieb fürs Projekt interessiert, nicht zuletzt, weil am Winterberg, vier Kilometer Luftlinie vom Wurmberg entfernt, im Grunde das gleiche Projekt noch einmal geplant wird. Weltweit einmalig dürfte dabei sein, dass beide Vorhaben bis zum Auftreten der Forscherin strikt getrennt voneinander betrachtet wurden. Denn der Winterberg gehört zu Schierke. Und das liegt ja in Sachsen-Anhalt.

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