Gentrifizierung in der Schanze: Mit der Feuerwehr gegen Dealer

Ein runder Tisch im Schanzenviertel plant Maßnahmen, um die Dealerszene aus dem Flora-Park zu verdrängen. Kinder und Jugendliche trauten sich nicht mehr dorthin.

Soll wieder von Kindern und Jugendlichen genutzt werden - und nicht von Dealern: der Flora-Park. Bild: Miguel Ferraz

Die Losung des Bezirksamtes Altona klingt konsequent und martialisch: „Die Rückeroberung des öffentlichen Raumes durch Anlieger und der Bewohner der Schanze“. Gemeint ist der Flora-Park hinter der besetzen Roten Flora zwischen Schulterblatt und Lippmannstraße. Denn seit knapp zwei Jahren haben dort vermehrt wieder Dealer ihren Wirkungsbereich eingerichtet.

„Die Dealer treten massiv, offensiv bis aggressiv auf, sodass viele Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche, den Park mittlerweile meiden“, sagt Altonas Bezirksamtssprecherin Kerstin Godenschwege.

„Trotz massiver Einsätze durch regelmäßige Kontrollen und Razzien ist allein auf diesem Weg des Problems nicht Herr zu werden“, sagt Godenschwege. Seit einem halben Jahr hat daher das Bezirksamt unter Moderation der Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg) einen runden Tisch eingerichtet, um mit Anliegern, Institutionen und Vereinen aus dem Viertel das Problem in den Griff zu bekommen.

Denn selbst tagsüber blüht der Handel im Flora-Park und am Eingang neben dem Kulturhaus 73 am Schulterblatt. Er verlagerte sich zeitweilig sogar ins Kulturhaus und macht, nachdem sich die Dealerszene nach einem gewalttätigen Verteilungs- und Revierkampf gewandelt hat, selbst vor der Treppe der Flora nicht mehr Halt. „Alle Akteure sind daran interessiert, den Drogenhandel aus dem Flora-Park wegzubekommen, ohne dass eine Verlagerung in umliegende Parks stattfindet“, sagt Marin Brinkmann, Geschäftsführer der Steg.

Polizeiliche Repression gegen Dealer- und Drogenabhängige hat in der Vergangenheit die Drogenproblematik nicht gelöst, sondern nur zur Verdrängung an andere Orte geführt.

Am Schanzenbahnhof etablierte sich 1997 eine Dealerszene, nachdem 1995 die Heroin-Verkäufer rund um den Hauptbahnhof zur Aufwertung St. Georgs verjagt wurden.

Als 1997 die Polizei den Schanzenbahnhof von Dealern säuberte und auch auf Junkies Jagd machte, etablierte sich eine offene Drogenszene im Flora-Park und in der Schanze. Die Stadt reagierte mit der Einrichtung des Druckraums "Fixstern" am Schulterblatt.

Die Rote Flora eröffnete 1998 einen zusätzlichen Fixerraum im Park, weil die Kapazitäten des "Fixstern" nicht ausreichten und auf Spielplätze Spritzen von Drogenabhängigen gefunden wurden. Der Raum wurde zunächst geduldet, dann aber von der Polizei aufgelöst.

Mit einer Dauerbelagerung begann die Polizei 1998 die Heroinszene aus der Schanze zu vertreiben. Es kam zu Krawallen, da die Repression gegen die Junkies mit der Gentrifizierung der Schanze und dem Bau der Flaniermeile Piazza in Zusammenhang gebracht wurde. Der "Fixstern" wurde 2004 geschlossen.

Die Maßnahmen sollen aber keinen reinen Repressions-Charakter haben. „Eine Stagnation des Drogenhandels durch vermehrte regelmäßige Kontrollen kann gelingen, aber eine Auflösung des Handels ist allein durch polizeiliche Maßnahmen nicht zu erreichen“, sagte der Leiter des Lerchenstraßen-Reviers, Stefan Schneider, beim letzten runden Tisch im Jesus-Center. Dafür müsse eine politische Basis geschaffen werden, denn es gebe vor Ort keine klassische Konsumszene, im Park würde „nur“ eingekauft.

Nach den Plänen des runden Tisches soll die Vertreibung der Dealerszene vor allem durch eine Belebung des Parks erreicht werden. Zwar war auch eine Schließung des Parks in der Nacht erwogen worden, dieser radikale Eingriff ist aber doch verworfen worden, weil so etwas angesichts der geografischen Lage kaum denkbar sei. Auch die Schließung des Eingangs Schulterblatt ist offenkundig vom Tisch, da das nur eine temporäre Entspannung brächte und der Handel sich auf die beiden anderen Eingänge verlagerte.

Daher sollen Events, Spieltage, Sportturniere und Kunstaktionen, den Dealern die Lust am Handeln nehmen. Dafür hat die Stadt laut Godenschwege einen Fonds von 60.000 Euro bereitstellt. „Die Freiwillige Feuerwehr hat schon Übungen in den Park verlegt“, sagt Godenschwege, „und konnte zumindest während der Übungen ’Dealerfreiheit‘ im Park melden.“

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