Genitalverstümmelung in Kenia: Hilfe per Knopfdruck

Fünf Schülerinnen haben eine App entwickelt, um sich gegen drohende Beschneidungen zu wehren. Sie wollen Betroffene unterstützen.

Eine Frau hält ein Beschneidungsmesser in der Hand

In Kenia erleidet eines von fünf Mädchen eine Genitalverstümmelung Foto: dpa

NAIROBI taz | Ein App für Handys soll kenianischen Mädchen helfen, sich gegen Genitalverstümmelung (FGM – Femal Genital Mutilation) zu wehren. Fünf Schülerinnen aus dem Westen von Kenia haben die App entworfen.

„I-Cut“ ermöglicht Mädchen, die mit einer drohenden Genitalverstümmelung konfrontiert sind, schnell und direkt Kontakt mit Anti-FGM-Organisationen oder der Polizei aufzunehmen. Der Eingriff ist in Kenia seit 2001 verboten. Frauen, die ihn schon erlitten haben, können durch die App Rechtsberatung oder medizinische Nachsorge bekommen.

„Restorers“ (Wiederhersteller) nennen sich die Erfinderinnen, alle zwischen 15 und 17 Jahre alt. „Wir wollen Mädchen ohne Hoffnung wieder Hoffnung geben“, erklärt Cynthia Otieno, eine von ihnen. Die Erfahrung einer Schulkameradin brachte die Mädchen auf die Idee: „Eine sehr gute Freundin von mir erlitt den Eingriff. Sie kam nie wieder zurück in die Schule, während sie eine der intelligentesten war.“

Nach der Beschneidung kehren die meisten Mädchen nicht in die Schule zurück. In der Regel werden sie im Alter von 14 oder 15 Jahren zur FGM gezwungen – durch die Eltern oder Großeltern, die fürchten, dass die Mädchen ansonsten keine Heiratschance hätten. In vielen Ethnien in Kenia bekommen die Familien einen Brautpreis, wenn eine Tochter heiratet.

Eine wichtige App für Kenia

Hilfe bei der Entwicklung der App bekamen die Erfinderinnen im Lake Hub, einem technologischen Innovationszentrum in der Stadt Kisumu am Victoriasee im Westen von Kenia. Als die App funktionierte, bewarben sie sich mit Hunderten anderen um den internationalen Preis der „Technovation Challenge“. Sie kamen ins Finale – mit Erfindern unter anderem aus Kanada, Kambodscha und Armenien – und flogen in die USA, um ihren Entwurf vor einer Jury zu erklären. Damit waren sie die einzigen aus Afrika.

Sie gewannen zwar nicht, aber Google wurde auf sie aufmerksam und nahm mit ihnen Gespräche auf. „Das alles war eine unglaubliche Erfahrung. Wir werden sie benutzen, um weiterzumachen mit I-Cut und unserer eigenen Zukunft“, sagt Ivy Akinyi, die einmal Computerprogrammiererin werden will.

Die App dürfte sehr wichtig in Kenia werden. Obwohl FGM verboten ist und auch in der Realität immer seltener wird, mit einem Rückgang um mehr als 10 Prozent in den letzten zehn Jahren, erleidet noch immer eines von fünf Mädchen bzw. Frauen zwischen 15 und 49 Jahren eine Genitalverstümmelung.

Bei Somalierinnen wird die meist grausamste und radikalste Art der Beschneidung vorgenommen, die sogenannte pharaonische

Besonders verbreitet ist die Beschneidung bei kenianischen Somalierinnen, wo die Quote bei 94 Prozent liegt. Bei Somalierinnen, auch in Somalia selbst, wird die meist grausamste und radikalste Art, die sogenannte pharaonische Beschneidung, vorgenommen, die es gibt. Auch bei anderen Hirtenvölkern wie Samburu (86 Prozent) und Maasai (78 Prozent) wird FGM als normal durchgesetzt.

Die jungen Erfinderinnen gehören zur Volksgruppe der Luo, bei denen FGM nicht verbreitet ist. Sie wollen nun den Rest Kenias überzeugen. Noch ist I-Cut nicht verfügbar – aber die Mädchen hoffen auf einen Platz im Google Playstore.

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