General Motors streicht tausende Stellen: Massenentlassung als Modernisierung

Der Autohersteller General Motors will im nächsten Jahr fünf Fabriken in Nordamerika schließen – und damit zukunftsfähiger werden.

Einige Autos stehen hintereinander in einer Fabrikhalle und werden von GM-Angestellten bearbeitet

Etwa 15.000 GM-Beschäftigte verlieren ihre Jobs Foto: ap

DETROIT taz | „Das ist unternehmerische Gier vom Schlimmsten“, kommentierte der demokratische Senator Sharrod Brown am Montag in Ohio. In Detroit sprach Terry Dittes von der Spitze der Autogewerkschaft UAW von „großem Schaden für amerikanische Beschäftigte, weil General Motors seine Produktion in China und Mexiko ausbaut, und Fabriken in Nordamerika schließt“. Und von New York aus beklagte Ex-Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders, dass GM das „soziale Gefüge von Amerika zerstört“.

Weniger als ein Jahrzehnt, nachdem die US-amerikanischen SteuerzahlerInnen „ihre“ Autoindustrie mit 80 Milliarden Dollar aus der Insolvenz gerettet haben, zeigt „GM“ ihnen jetzt den Stinkefinger. Der Konzern, dem es längst wieder blendend geht, will im nächsten Jahr fünf Fabriken in Nordamerika – in Michigan, Ohio und in Maryland, sowie im kanadischen Ontario – schließen. Er will an die 15.000 Beschäftigte – rund 15 Prozent der Belegschaft – entlassen, darunter sowohl ArbeiterInnen, als auch Angestellte. Zigtausenden weiteren drohen Lohnsenkungen und weitere Einbußen.

GM-Chefin Mary Barra, eine der meist gefeierten ManagerInnen der letzten Jahre, stellt die Massenentlassungen als Modernisierung dar. „General Motors wird die Transformation in die Zukunft beschleunigen“, verlautet aus der PR-Abteilung ihres Konzerns. Auch von „Silicon Valley als Business Modell für die Autoindustrie“ ist die Rede. Statt auf Limousinen und Kleinwagen, die auf dem US-amerikanischen Markt nicht gut laufen, will GM sich künftig auf die Herstellung von SUVs, Elektrowagen sowie auf selbstgesteuerte Autos und auf das Geschäft mit Ride-Shares konzentrieren.

Damit erwartet der Konzern schon im Jahr 2020 rund sechs Milliarden Dollar Profit. An der Börse fand diese Ankündigung schon am Montag ein positives Echo. Dort schnellten die GM-Aktien binnen weniger Stunden um fünf Prozent in die Höhe. Eine der Fabriken, die GM schließen will, befindet sich in Lordstown, Ohio. In unmittelbarer Nähe hat Donald Trump in seinem Wahlkampf die ArbeiterInnen im „Rust Belt“ mit dem Versprechen geködert, er werde Arbeitsplätze und Fabriken in die USA zurückholen.

Auch Ford plant Schließungen

Einmal im Amt hat der US-Präsident die „Großen Drei“ – die Autohersteller GM, Ford und Chrysler – unter anderem damit hofiert, die Umwelt-Auflagen seines Amtsvorgängers zurückzunehmen. Auch seine Steuerreform kam den Großen Drei zu Gute. Nach Einschätzung von Bernie Sanders sparte allein GM damit in diesem Jahr bereits mehr als 500 Millionen Dollar ein. Doch zugleich erhöhte Trump mit seinen diversen Handelskriegen auch die Kosten für Stahl und Aluminiumkäufe.

Nachdem er statt auf Industrie- und Umweltpolitik auf die „Selbstkontrolle“ der Konzerne gesetzt hat, fiel Trump am Montag zu den Massenentlassungen bei GM nichts Besseres ein, als: „Es gefällt uns nicht.“ Die Aussprache im Weißen Haus mit GM-Chefin Barra überließ er seinem Wirtschaftsberater Larry Kudlow. GM ist bereits der zweite Autokonzern, der Schließungen plant. Zuvor hat schon Ford ähnliche Schritte angekündigt.

Mit seinen Wahlkampfversprechen hatte Trump die Mehrheit der Stimmen im Rustbelt gewonnen. Nun muss er befürchten, dass die Massenentlassungen in der Autoindustrie ihn bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 Stimmen kosten können.

Der Metallarbeiter Sean Crawford arbeitet in einem GM-Werk in Detroit, das gegenwärtig vier Chevrolet-Modelle produziert. In den zurückliegenden Monaten funktionierte das Werk nur noch in einer statt in drei Schichten. Und es gab Gerüchte, über mögliche Zusammenlegungen oder Schließungen von Werken. „Ich lebe in der konstanten Vorbereitung auf die nächste Entlassung“, sagt er. Die am Montag angekündigte Schließung des Werkes hat er dennoch nicht kommen sehen. Er erfuhr davon aus den Medien.

Beschäftigte im „Rustbelt“ halten ihre Wut zurück

Der 36-jährige Crawford stammt aus Flint, „ein Industriestandort, der wie viele in Michigan von GM über die Jahre verwüstet worden ist.“ 2009 ist er das erste Mal von GM entlassen worden. Damals hatte die Gewerkschaft einen Vertrag akzeptiert, der niedrigere Löhne für neue Beschäftigte zuließ und im Gegenzug die Arbeitsplätze sichern sollte. Crawfords Arbeitslosigkeit währte zwei Jahre.

Er ist überzeugt, dass es andere Möglichkeiten gäbe, um mit den Absatzproblemen von GM umzugehen. Zum Beispiel Arbeitszeitverkürzungen, wie die US-Gewerkschaft UAW sie in ihren Anfängen in den 30er Jahren erwogen, und wie die IG-Metall sie in Deutschland durchgesetzt hat. Doch im Fall von GM befürchtet Crawford, dass der Konzern die jetzige Situation nutzen wird, um zusätzlich zu den Entlassungen auch die Löhne und Arbeitsbedingungen der Verbleibenden zu verschlechtern.

Die Belegschaft in Kanada diskutiert bereits über einen Streik. Aber im Rust belt der USA halten die Beschäftigten ihre Wut zurück. Im nächsten Jahr ist bei GM ein neuer Tarifvertrag für vier Jahre fällig. Manche Beschäftigte stellen sich bereits zähneknirschend darauf ein, dass GM die Lage nutzen wird, um größere Zugeständnisse von der Gewerkschaft zu bekommen.

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