Gelbwesten-Protest in Berlin: „Nazis blockieren soziale Kämpfe“

Die Gelbwesten-Bewegung kommt nach Berlin – als Zeichen der Solidarität mit den französischen Aktivisten und eindeutig antifaschistisch.

Eine Gruppe von Menschen in gelben Warnwesten steht vor einem LKW

Hallo Berlin! Hallo Frankreich! Foto: Reuters

taz: Herr Peters, warum wollen Sie die Gelbwesten-Bewegung nach Berlin holen?

Martin Peters: Uns geht es darum, den Menschen in Frankreich zu zeigen, dass ihre Kämpfe von hier aus unterstützt werden. Diese Solidarität wollen wir mit lokalen Kämpfen verknüpfen. Wenn genügend Leute kommen, werden wir nach unserer Kundgebung vor der französischen Botschaft noch eine Demonstration starten. Diese wird an der „Mall of Shame“ vorbeigehen, wo es unlängst Proteste gegen Unionbusting bei der Spielwarenkette Toys“R“Us gab, und wird bei der Deutschen Bahn am Potsdamer Platz enden, deren Beschäftigte ebenfalls um bessere Bedingungen kämpfen.

Welches wäre ein Thema für eine deutsche Bewegung?

Das Thema Mieten bietet am ehesten dieses Potenzial. Ansonsten ist es leider so, dass Arbeitskämpfe hierzulande meist vereinzelt laufen. Da fehlt es an Solidarität – der Bereitschaft, nicht zu meckern, wenn man wegen eines Bahnstreiks zu spät zur Arbeit kommt. Eine große Protestwelle steht nicht vor der Tür und können wir auch nicht anschieben. Ein Massenprotest muss organisch aus sich heraus entstehen. Der hätte eigene Themen, eigene Symbole.

Bislang haben in Deutschland vor allem Rechte versucht, auf den Gelbwesten-Zug aufzuspringen. Die wollen Sie aber nicht auf Ihrer Demo haben?

Nein, unsere Motivation ist auch eine antifaschistische. Das Motto lautet: Gegen Sozialabbau und Rassismus. Wir widersprechen der Vereinnahmung von rechts und einer Verbindung mit dem Protest gegen den UN-Migrationspakt. Dass bislang eher Rechte aufgesprungen sind, spiegelt die Schwäche der Linken wider: Es fehlt eben an breiten Sozialprotesten. Und während „Unteilbar“ ein Moment war, ist etwa Pegida dauerhaft präsent und kann entsprechend schnell mobilisieren.

34, ist seit längerem in antirassistsichen und sozialpolitischen Bewegungen aktiv. Er ist Mitinitiator der Initiative Gelbwesten Berlin, die von verschiedenen sozialen Bewegungsakteuren der Stadt getragen wird.

Hat die deutsche Linke den französischen Protest bislang unterschätzt und sich zu sehr auf die problematischen Elemente der Bewegung fokussiert?

Ich würde sagen: ja. Es fehlt ihr inzwischen die Übung im Umgang mit Massenbewegungen. Viele sind es nur noch gewohnt, danebenzustellen und zu kritisieren. In den linken Filterblasen war schnell der Vorwurf eines Querfrontprotests verbreitet. Aber die Kernforderungen der Gelbwesten sind sozialer Natur und eben nicht der Migrationspakt. Wir wollen deutlich machen, dass sich französische Linke zum Großteil für eine solidarisch-kritische Intervention aussprechen und gegen Nazis zur Wehr setzen. Einen extrem rechten Sprecher hat die Bewegung schon geschasst – der versucht jetzt sein Glück als „Gelbe Zitronen“.

Kann es rechte Sozialproteste geben?

Kundgebung: Donnerstag, 20. Dezember, 18 Uhr, Pariser Platz (Facebook-Link)

Rassismus spaltet die Bevölkerung. Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern mit wenig Geld verbindet viel mehr miteinander als den weißen französischen Arbeiter mit seinem Chef. Es geht weiterhin um den Widerspruch von Kapital und Arbeit. Wir müssen das nur in Sprache kleiden, die nicht in marxistischen Gefilden fischt, sondern die jeder verstehen kann.

Zum Beispiel?

Eigentlich ist es ganz einfach: Menschen, die wenig Geld in der Tasche haben, müssen sich zusammenschließen und gemeinsame Kämpfe führen. Die Nazis sind dagegen eine große Blockade für soziale Kämpfe, weil sie dafür sorgen, dass Themen wie Renten, Löhne oder Hartz IV nur noch auf der Flüchtlingsebene verhandelt werden. Sie argumentieren, wenn Flüchtlinge keine Wohnung und kein Sozialleistungen kriegen, geht es uns besser. Das sind aber Nebelkerzen. An diesen Debatten muss man dann erst mal vorbei. Dass man sich schon wieder so viel mit den Rechten beschäftigen muss, ist ihr Erfolg. Am Donnerstag wollen wir dagegen ganz klar die soziale Agenda in den Vordergrund stellen.

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