Gegen die Bremer Wohnungsnot: Parlamentarier in Bewegung

Per Konferenz und Stadtrundgang fokussiert die Linkspartei die Wohnungsnot. Sie wünscht sich „Druck von der Straße“

Verbindet viele Aspekte: der wohnungspolitische Stadtrundgang. Bild: Koopmann

BREMEN taz | Unter dem wachsamen Blick zahlreicher Kameras präsentierte sich das linke „Netzwerk Recht auf Stadt“ am Samstag mit einem Stadtrundgang. Es war nicht die Polizei, es handelte sich um die Handys überraschter Weihnachtsmarkt-BesucherInnen, die die rund 130 DemonstrantInnen aus verschiedenen linken Spektren im Blick hatten.

Es ging ihnen um öffentlichen Raum als Sphäre des Konsums, den Mangel an bezahlbaren Wohnungen und, spätestens vorm Hillmann-Hotel, auch um die gesellschaftliche Spaltung zwischen Arm und Reich: „Eine Nacht hier kostet mehr, als einem Obdachlosen vom Senat für den ganzen Monat zugestanden wird“, sagt ein Redner. Und erinnert an einen Mann, der hier in den Wallanlagen im November verstorben war.

Zu dem Netzwerk gehört auch die Linkspartei, die bereits am Vortag zu einer wohnungspolitischen Konferenz geladen hatte. Hier hatte Claudia Bernhard, die wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion, zur Vernetzung mit außerparlamentarischen Initiativen aufgerufen. Man sei im Parlament „doch ganz schön einsam“, so Bernhard. Ohne politischen Druck von Außen lasse sich kein grundlegender Politikwechsel erreichen.

Wie groß der Mangel an Wohnraum ist, kann so ganz genau niemand sagen. Sicher ist nur: Selbst wenn die Preisklassen der vorhandenen Wohnungen den Einkommen der Haushalte entsprächen, gäbe es nicht genug. Die Zahl der zu gründenden und bereits vorhandenen Haushalte sei um zwei Prozent höher als die Zahl der Wohnungen, sagte Kai-Ole Hausen von der Arbeitnehmerkammer unter Berufung auf das statistische Landesamt.

Was zunächst nach „fast genug“ klingt, ist deshalb ein Problem, weil die meisten Wohnungen hochpreisig sind. Dem Berliner Stadtsoziologen Andrej Holm zufolge wird das auch so bleiben, solange sie in privater Hand sind. Billigen Wohnraum zu erschließen, würde sich für Investoren nicht lohnen, sagte er auf der Konferenz – „die machen Profit oder pleite“.

Diesem Zwang sei auch die Gewoba, Bremens einzige nicht privatisierte Wohnungsbaugesellschaft, unterworfen. Die sei immerhin eine Aktiengesellschaft und könne ihr Geld nicht einfach wohltätig verteilen. Die Linkspartei würde sie darum am Liebsten in eine Anstalt öffentlichen Rechts umwandeln. Diese Geschäftsform entspräche noch am ehesten demokratischen Vorstellungen, sagt Konferenz-Teilnehmer Rouzbeh Taheri von der Berliner „Initiative Neuer Kommunaler Wohnungsbau“.

Damit wären zwar längst nicht alle Probleme gelöst – aber entschärfter als bei Privatunternehmen wie der Deutschen Annington. Die wird nach der geplanten Übernahme der Gagfah etwa 11.000 ehemals öffentliche Wohnungen in Bremen besitzen. „Eigentlich müsste man die enteignen“, sagte Taheri. Doch dafür seien keine politischen Mehrheiten in Sicht.

Es bleibt also bei kleineren Schritten wie der alten Forderung der Linkspartei nach einer Rekommunalisierung der Wohnungen durch Rückkauf. Große Illusionen wollte man sich aber auch über diese politische Stellschraube nicht machen. Denn auf dem Wohnungsmarkt sind gerade Rekordpreise angesagt, während die Wohnungen zu Zeiten des Tiefs privatisiert wurden.

Auch andere populäre Instrumente kamen nicht gut weg. Die Mietpreisbremse etwa sei ein „Programm zur Befriedigung der Mittelschicht“, sagte Holm. Denn die Mieten auf eine Höhe knapp über dem Durchschnitt zu begrenzen, helfe denen nicht, die unterdurchschnittlich viel verdienen. Und das sind in Bremen eine ganze Menge: 161.000 BremerInnen verdienen weniger als 60 Prozent des bundesweiten Durchschnitts. In keinem anderen Bundesland gelten so viele Haushalte als von Armut bedroht. Das Problem betrifft hier viele Menschen, auch wenn Gentrifizierung in Bremen bisher noch weniger ausgeprägt ist als etwa in Hamburg oder Berlin, sagte Claudia Bernhard.

Aktionen auf der Straße wie der Rundgang am Samstag sollen Druck auf die Politik ausüben. Das sei unverzichtbar, sagt Holm, weil sich die meisten Strategien darauf beschränken, auf Recht, Politik oder Geld zu hoffen – „alles Mittel, die gesellschaftlich nicht zu unseren Gunsten verteilt sind“, so Holm.

An der Verteilungsfrage haben ein paar der DemonstrantInnen bereits vor sechs Wochen gerüttelt. Da hatten sie versucht, ein Haus in der Neustadt zu besetzen und es nach einem Verhandlungsangebot des Eigentümers freiwillig geräumt (taz berichtete). Als das verabredete Treffen dann aber nicht zustande kam, hatten sie vergangene Woche angekündigt, beim nächsten Mal „konsequenter zu sein“.

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