Gebär-Initiative: Bremen will natürliche Geburt

Anders als die Bundesregierung hält der Bremer Senat die hohe Kaiserschnittrate für ein Problem. Lösungen soll jetzt ein Bündnis aus GeburtshelferInnen erarbeiten

Bremer Diskussion: Das Kind ist drin, wie soll es raus? Bild: dpa

BREMEN taz | Ein Bündnis zur Förderung der natürlichen Geburt will die Bremer Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper initiieren. Das geht aus einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der Grünen hervor, die morgen im Senat beschlossen werden soll.

Anlass ist die seit Jahren steigende Kaiserschnittrate, die sich bundesweit in 20 Jahren auf 31,9 Prozent nahezu verdoppelt hat. Keinen Handlungsbedarf sieht das Bundesgesundheitsministerium. Es hält die steigende Rate für eine natürliche Entwicklung, wie es im März auf eine Frage der Grünen im Bundestag antwortete. Es befürchtet, dass eine Senkung der Kaiserschnittrate Mütter und Kinder gefährdet – ohne dies zu begründen.

Eine andere Position vertritt die Bremer Landesregierung, wie sie jetzt schreibt. Die Bremer Quote von 32,2 Prozent im Jahr 2011 hält sie für „kritisch“, weil eine Sectio Caesarea „mit hohen gesundheitlichen Risiken für Mutter und Kind verbunden ist“.

Die Vorsitzende des Bremer Hebammenverbandes, Valerie Stabel, begrüßt das Vorhaben, die Rate zu senken. Es sei höchste Zeit, dass diejenigen, die in der Geburtshilfe arbeiten – also Hebammen, Kliniken und niedergelassene GynäkologInnen – miteinander über das Problem reden. „Bisher beklagen sich alle nur und schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu.“ Hebammen würden seit Jahren darauf hinweisen, dass die steigende Kaiserschnitt-Rate etwas mit der geburtshilflichen Praxis zu tun haben müsse. „Sonst hätten wir nicht in Sachsen eine Quote von 23 und im Saarland von 36,6 Prozent“, so Stabel.

Die geringeren Fallzahlen in Ostdeutschland hätten nichts damit zu tun, dass die Erstgebärenden dort durchschnittlich jünger sind als im Westen, wie es häufig behauptet wird, sagt Stabel. Im Osten waren 2010 nach Angaben des statistischen Bundesamtes die Frauen im Schnitt 27,4 Jahre alt bei der Geburt ihres ersten Kindes, im Westen 29,2.

„Der Osten ist handwerklich einfach besser“, sagt Stabel, „die kennen noch alle Kniffe und wissen, wie man auch eine kompliziertere Geburt zu Ende bringt“. Dies liege daran, dass in Ostdeutschland noch GeburtshelferInnen arbeiten und ausbilden, die in der technisch weniger aufgerüsteten DDR gelernt haben. „Bei uns hingegen gibt es nichts mehr zwischen der einfachen Spontangeburt und dem Kaiserschnitt“, kritisiert Stabel.

Die Grünen hatten auch gefragt, wie viele Kinder im Land Bremen nicht in einer Klinik, sondern zu Hause oder im Geburtshaus zur Welt kommen. 2,6 Prozent behauptet der Senat – und liegt daneben. Bis 2010 waren es nahezu konstant 3,5 Prozent – im letzten Jahr aber mit 243 Neugeborenen nur noch 3,1 Prozent, wie aus der noch unveröffentlichten Statistik der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe (Quag) für das Jahr 2011 hervorgeht. Dies liegt am Rückgang der Hausgeburten: Waren es in den Vorjahren stets 1 Prozent, lag die Quote jetzt nur noch bei 0,67 Prozent. Valerie Stabel vom Hebammenverband vermutet, dass dies mit dem schwindenden Angebot zu tun hat. Sie schätzt, dass in Bremen nur noch ein oder zwei Hebammen ausschließlich Hausgeburten begleiten. „Das will heute kaum noch eine junge Hebamme machen, weil es sich wirtschaftlich nicht lohnt.“

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