Gastkommentar Journalisten in der Türkei: Strukturelle Gewalt gegen die Presse

Die Türkei weigert sich, Journalisten zu akkreditieren. Es ist höchste Zeit, dass die UN einen Sonderbeauftragten für Pressefreiheit beruft.

Porträt Erdoğan

Präsident Erdoğan will seine Hofberichterstatter anscheinend von Hand verlesen Foto: reuters

Wie wäre es doch schön, wenn man sich diejenigen, die über die eigene Tätigkeit berichten, höchstpersönlich aussuchen könnte! Die Erfolg versprechende Organisationsform für das Fernhalten unliebsamer Journalistinnen und Journalisten nennt sich Diktatur. Zu beobachten ist das in vielen Ländern der Welt. Jetzt ist der Fokus der Betrachtung mal wieder auf die Türkei scharfgestellt.

Medienschaffende von ZDF und Tagesspiegel sind dem Präsidenten Erdoğan unliebsam geworden, sie sollen nicht mehr berichten dürfen. Der Despot vom Bosporus will ihnen keine Presseakkreditierung mehr geben lassen. Die Reporterinnen und Reporter dürfen damit bald nicht mehr in der Türkei arbeiten, sie müssen das Land verlassen – abgeschoben aus ideologischen Gründen.

Für Medienmenschen in der Türkei gehören solche Repressalien zum Alltag. Mit der Inhaftierung des Welt-Korrespondenten Deniz Yücel gab es in Deutschland zeitweise eine gewisse Aufmerksamkeit für dieses Problem. Die aktuelle Laune Erdoğans führt uns vor Augen, dass wir uns künftig immer weniger unabhängig über die Situation in der Türkei informieren können. Die Fälle des willkürlichen Akkreditierungsentzugs strahlen auch warnend auf andere aus. Mit Demokratie hat das nichts mehr zu tun.

Dieser Wunschtraum der Mächtigen ist zugleich der Todesstoß für einen freiheitlichen gesellschaftlichen Diskurs. Pressefreiheit ist ein Menschenrecht, das auch in den internationalen Regeln der Vereinten Nationen fest verbrieft ist. Der Wunsch nach einem UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von journalistisch Tätigen gewinnt mit dem Handeln der Türkei neue, dringliche Aktualität.

Der Deutsche Bundestag hatte sich bereits im Sommer 2018 für die Einführung einer solchen Position ausgesprochen. Es wird Zeit, dass den Worten Taten folgen – damit auch die strukturelle Gewalt des nicht nur türkischen Staates gegenüber einer freien Presse international angemessen untersucht und geächtet werden kann. Auch das beugt Diktaturen vor.

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ist Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Er arbeitet als freier Journalist und lehrt als Professor an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln.

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