Gastkommentar Ferkelkastration: Das ist eine Sauerei

Dank der Lobbyisten der Agrarindustrie ist Profit auch nach fünf Jahren Übergangsfrist immer noch wichtiger als der Tierschutz. Unfassbar.

Mensch mit Gummihandschuhen hält Ferkel

Eine Sauerei: Männliche Ferkel werden immer noch völlig ohne Betäubung kastriert Foto: dpa

Man muss sich mal klarmachen, was da geschieht: Im Alter von wenigen Lebenstagen sind die Hoden der männlichen Ferkel etwa so groß wie ein Daumennagel. Ohne jede Betäubung oder Schmerzmittel schneidet der Landwirt mit dem Skalpell den Hodensack auf, zieht die Hoden heraus, durchschneidet den Samenstrang, desinfiziert die Wunde und setzt das Ferkel mit blutenden Hoden wieder zurück.

Weil diese Methode natürlich billiger ist als eine ordnungsgemäß durchgeführte Narkose, ist sie Usus in der Landwirtschaft. Ab Januar 2019 sollte eigentlich Schluss sein mit der betäubungslosen Kastration, das war bereits mit der Reform des Tierschutzgesetzes 2013 beschlossen worden. Dann müssten die Landwirte eine der Alternativen wählen, zum Beispiel die Impfung gegen den Ebergeruch (den der Schnitzel-Konsument nicht schätzt) oder eben eine Betäubung vor der Kastration.

Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast ist treibende Kraft bei dem Bestreben, die Frist um weitere zwei Jahre zu verlängern. Sie hat es schon in der Agrarministerkonferenz versucht – und wurde abgeschmettert. Vor zwei Wochen dann der Antrag im Bundesrat – abgelehnt. Jetzt hat sie bei der Ausschusssitzung der Groko Gehör gefunden. Nicht alle CDUler und SPDler befürworten eine Fristverlängerung, aber aufgrund des Fraktionszwangs wird im Bundestagswohl eine Mehrheit dafür stimmen.

So werden noch vielen Millionen Ferkeln völlig vermeidbare Qualen beschert – abgesehen davon, dass Fleischessen natürlich eh vermeidbar ist. Aber diese Übergangsfrist bringt keine neuen Erkenntnisse, nur einen Aufschub: für diejenigen, die auf Kosten der Ferkel sparen. Sollte die betäubungslose Kastration noch weitere zwei Jahre erlaubt bleiben, erhalten wir WählerInnen eine neuerliche Gelegenheit zu beobachten, wie der hehre „Tierschutz im Grundgesetz“ dem Lobbyismus der Agrarindustrie zum Fraß vorgeworfen wird.

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Hilal Sezgin studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete mehrere Jahre im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in der Lüneburger Heide. Zuletzt von ihr in Buchform: „Nichtstun ist keine Lösung. Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs.“ DuMont Buchverlag 2017.

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