Gas-Konzern wird angelsächsisch: Linde nähert sich der Mega-Fusion

Der Linde-Vorstand hat den Fusionsvertrag mit dem US-Konkurrenten Praxair unterzeichnet. Die Arbeitnehmer konnten das nicht verhindern.

Linde Aufsichtsratschef wolfgang reitzle hält sich bei einer Pressekonferenz lachend neben dem Vorstandsvorsitzenden Aldo Belloni

Sie haben gut lachen: Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle (links) und Vorstandsvorsitzender Aldo Belloni Foto: dpa

BERLIN taz | Der Aufsichtsrat des deutschen Industriegase-Herstellers Linde sagt ja zur Fusion mit seinem US-Konkurrenten Praxair. Laut Reuters stimmten an der Sitzung am Donnerstag nur fünf der sechs Arbeitnehmer im paritätisch besetzten Kontrollgremium gegen den milliardenschweren Deal. Alle sechs Vertreter der Kapitalseite hätten dafür gestimmt. Der Zusammenschluss ließe den weltweit größten Gas-Konzern mit 27 Milliarden Euro Umsatz und weltweit 80.000 Mitarbeitern entstehen.

Damit setzt sich die Linde-Führung nach monatelangen Auseinandersetzungen gegen Betriebsräte und Gewerkschaften durch. Letztere befürchten aufgrund der Fusion 10.000 gefährdete Arbeitsplätze und den Verlust der Mitbestimmung. Der Konzern soll nämlich künftig von Praxair-Chef Steve Angel aus den USA gesteuert, die Holding in Irland angesiedelt werden. „Linde braucht Praxair nicht“, so das Votum der Betriebsräte. In Deutschland beschäftigt Linde 8.000 Mitarbeiter

Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle will die Fusion mit dem US-Konzern unbedingt durchsetzen, um jährlich eine halbe Milliarde Euro einzusparen- und nebenbei selbst zum Aufsichtsratschef des fusionierten Konzerns aufsteigen. Der Aufsichtsratsvorsitzende hätte im Falle einer Patt-Situation der beiden Interessenlager die Position der Kapitalseite anhand seiner ihm zustehenden Doppelstimme durchgesetzt. Solche Kampfabstimmungen sind selten und gelten als besonderer Affront gegen die Arbeitnehmer.

Zu diesem Eklat kam es jedoch nicht, da laut Reuters offenbar Frank Sonntag, Betriebsrat des Linde-Werkes in Dresden, sich seiner Stimme enthielt. Sonntag befand sich in einer Zwickmühle: Die Linde-Führung will den Betrieb mit rund 500 Mitarbeitern schließen, hat aber für den Fall der Fusion eine Standort- und Beschäftigungsgarantie bis 2021 gegeben. Mit einer Nein-Stimme hätte er seine Mitarbeiter verraten; mit einer Enthaltung hätte er nun die Gewerkschaftsposition geschwächt.

Den Vorwurf, Linde habe den Betriebsrat absichtlich in diese Lage gebracht, wies ein Konzernsprecher auf taz-Anfrage zurück: „Die Mitglieder des Aufsichtsrates sind unabhängige Menschen“, sagte er. Natürlich sei Frank Sonntag in einer besonderen Situation gewesen. „Egal was er gemacht hätte, es wäre falsch gewesen“.

Aktionäre und Kartellbehörden als letzte Hürden

Bei Praxair gilt die Mehrheitsabstimmung an der Hauptversammlung als Formsache – die 100 größten Linde-Aktionäre allein halten schon 42 Prozent der Praxair-Anteile. Die Linde-Führung ist einerseits auf ihre Aktionäre, andererseits sind die beiden Konzerne auf die Zustimmung der europäischen und amerikanischen Kartellbehörden angewiesen.

75 Prozent der Linde-Aktionäre müssen während den nächsten Monaten ihre alten Linde-Aktien in Anteilsscheine des neuen Konzerns umtauschen, ansonsten kommt der 60-Milliarden-Euro-Deal nicht zu Stande. „Ob die Aktionäre auf der Linie der Kapitalvertreter stehen ist sicherlich noch offen und lässt uns hoffen“, sagt ein Sprecher der IG Bergbau, Chemie, Energie der taz.

Mit der Kartellthematik hätte sich der Konzern bereits auseinandergesetzt, sagte der Vorstandsvorsitzende Aldo Belloni unlängst. „Wie bei jedem Zusammenschluss dieser Größenordnung werden wir uns von Geschäftseinheiten, sowohl Linde als auch Praxair, trennenmüssen, die sonst eine zu starke Marktkonzentration darstellen würden“. Belloni erwartet den Vollzug der Zusammenlegung für 2018. Mit der gestrigen Unterschrift des Fusionsvertrages ist der Vorstand seinem Ziel einen großen Schritt näher gekommen.

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