Fussball-Bundesliga: Die Droge Europa

Wer ist eigentlich der „große HSV“ und wer der „kleine“? Diese Frage stellt sich nach dem 5:1-Sieg von Hannover 96 gegen den Hamburger SV.

Am Samstag häufig zu sehen: Jubelnde Hannoveraner, bedröppelte Hamburger. Bild: dpa

HANNOVER taz | Ihren fünf herrlichen Toren folgte so manches Wort der Genugtuung. „Wir wussten“, sagte der abgekämpfte Sergio da Silva Pinto, „dass wir unseren inneren Schweinehund überwinden müssen.“

Der gebürtige Portugiese im Team von Hannover 96 war Kronzeuge für einen Kraftakt der besonderen Art. Die vermeintlich müden Niedersachsen, zwei Tage zuvor noch in der Europa League ausgeschieden, hatten sich im Heimspiel gegen den Hamburger SV äußerst angriffslustig präsentiert und mit 5:1 (3:1) gewonnen.

Der Erfolg wurde begünstigt durch eklatante Fehler von HSV-Torhüter René Adler. Er gab einen Hinweis darauf, wer im Kampf um einen Platz im internationalen Geschäft den größeren Willen entwickeln kann. Denn Hannover 96 hätte reichlich Grund zum Jammern gehabt: Das Bundesliga-Spiel nur 40 Stunden nach dem Europa-League-Duell mit dem russischen Klub Anschi Machatschkala war eine große körperliche Herausforderung. Außerdem hatten die Schlagzeilen rund um die Tuberkulose-Erkrankung den neuen brasilianischen Spieler Franca vom Wesentlichen abgelenkt.

Und doch verstanden es die 96-Profis mit beachtlicher Effizienz, von den Fehlern ihres Gastes zu profitieren. Ein schnelles Kopfballtor von Mame Diouf in der siebten Minute hatte den Torreigen eröffnet. Daran konnte auch der 1:1-Ausgleich von Hamburgs Rafael van der Vaart per Foulelfmeter (13.) nichts ändern.

„Hannover hat einfach drei sehr gute Stürmer. Und wir haben sie mit unseren Fehlern zu Toren eingeladen“, sagte HSV-Kapitän Heiko Westermann. Die Tore der Hannoveraner Szabolcs Huszti (42./Foulelfmeter), Didier Ya Konan (45./68.) und Mohammed Abdellaoue (85.) führten zu einem verdienten Sieg.

Die Aussicht darauf, im dritten Jahr in Folge am europäischen Spitzenfußball mitwirken zu dürfen, wirkt bei Hannover 96 wie ein Aufputschmittel. Mittwochs in einen Flieger zu steigen, donnerstags irgendwo in Europa aufzulaufen und am Wochenende trotzdem in der Bundesliga zu glänzen – was dem Team um Kapitän Christian Schulz immer wieder auf wundersame Weise gelingt, spricht für einen Reifeprozess der Elf von Trainer Mirko Slomka.

Die Mannschaft hatte es sogar verkraftet, dass ihr gefühlvoller Vorbereiter Huszti nach seinem voller Wucht erzielten Elfmetertor mit einem Muskelfaserriss vorzeitig ausgewechselt werden musste.

Außerdem hatten die Fehler von Hamburgs Torhüter René Adler großen Anteil am Spielverlauf. Adler war zu ungeschickt bei einer Grätsche gegen da Silva Pinto und zu lethargisch beim vorentscheidenden 3:1 von Ya Konan. Der 28-Jährige hatte einen ganz schwachen Tag erwischt, wurde auf dem Platz aber auch im Stich gelassen. Immerhin konnte sich Adler hinterher des Trostes seiner Kollegen sicher sein, die ihn nach vielen schönen Paraden in den vergangenen Wochen in Schutz nahmen.

Wenn Hannover und Hamburg in der Bundesliga aufeinandertreffen, geht es vor allem den leidenschaftlichen Fans um die Frage, wer denn nun eigentlich der große und wer der kleine HSV ist. Historisch betrachtet dürfen sich die Hanseaten natürlich als die größere Nummer im deutschen Fußball fühlen. In der jüngeren Vergangenheit aber hat Hannover 96 den deutlich attraktiveren Fußball gespielt.

„Man hat heute gesehen, dass wir noch eine ganze Menge lernen müssen“, sagte der verärgerte HSV-Trainer Thorsten Fink – und blieb bei der Einschätzung, dass sein Team in dieser Saison noch nicht für einen Platz in der Europa League infrage komme.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.