Fusion von Karstadt und Kaufhof: Champagner statt Schnitzel!

Das Warenhaus ist nicht mehr zeitgemäß, seine Zukunft steht auf dem Spiel. Doch es gibt Strategien gegen das Sterben des Offlinehandels.

Das Logo von Karstadt

Gibts eine Zukunft für analoge Warenhäuser? Foto: dpa

BERLIN taz | Wer sich mit der Rettung der Warenhäuser beschäftigt, fährt am besten erst einmal mit der Rolltreppe hinauf ins Restaurant von Karstadt. Oder von Kaufhof. Haben Sie lange nicht gemacht? Eben. Früher ging, wer in die Stadt zum Einkaufen fuhr, wie selbstverständlich in eine der oberen Etagen der Kaufhäuser, aß Schnitzel oder Scholle zu Mittag. Heute sitzen dort vereinzelt ein paar Leute an den Tischen. Das Ambiente: eher Wienerwald. Der Hippnessfaktor: ähnlich dem ZDF, beliebt allenfalls beim Publikum jenseits der 60, keinesfalls bei Jüngeren.

Deutlich wird das entscheidende Problem: Das Warenhaus – einst Zeichen glamourösen Aufschwungs – ist aus der Zeit gefallen. Ob es überhaupt überlebt, hängt auch davon ab, wie das Einkaufen in Zukunft aussieht. Hertie, Horten oder Neckermann – sie alle sind schon längst verschwunden.

Der Onlinehandel hat die Konsumgewohnheiten auf den Kopf gestellt. Einst ging man einkaufen: Obst, Gemüse, Milch, das Alltägliche. Und shoppen: das Kleid, den Rock, das Buch, um sich Gutes zu tun. Mittlerweile bestellt man von der Couch im Internet, was im Kühlschrank fehlt und was den Frust behebt. Öffnungszeiten? Muss man sich nicht merken.

„Eigentlich kaufen die Deutschen derzeit sehr viel, doch das kommt vor allem dem Onlinehandel zugute“, sagt Joachim Stumpf, Geschäftsführer der Münchner BBE Handelsberatung. Und er prognostiziert: „Von 2017 bis 2020 wird der gesamte Einzelhandel um 5,1 Prozent wachsen, online um 28,8 Prozent, offline aber nur um 2,6 Prozent.“

Digitale Spiegel

Zugleich verschärfe sich aber der Wettbewerb im stationären Handel. Sein Beispiel: Sportartikel. Seit einiger Zeit eröffneten Unternehmen wie Declathon, Ochsner Sport oder A3 Sport neue Läden – und setzten damit bisherige Anbieter wie Sportcheck, Footlocker oder eben auch Karstadt Sport zusätzlich unter Druck. Stumpf: „Da geht kein Mittelmaß mehr“, also nicht das alte Konzept mit Schaufenster und ein wenig Musik, etwas Beleuchtung, wenn sich die Türen wie von Geisterhand öffnen. Aber wie geht es dann?

Die Kaufhäuser müssten ihre Stärke ausspielen, die Möglichkeit zum Schlendern, Anfassen. Vom „Einkaufserlebnis“ sprechen die Experten. Eine von ihnen ist Theresa Schleicher vom Frankfurter Zukunftsinstitut. Sie sagt: „Digitales Shopping wird mit dem analogen Laden verschmelzen.“

Das begann einst mit den digitalen Spiegeln, die die Designerin Rebecca Minkhoff in ihrer Modeboutique in Soho, dem Nobel-Shoppingviertel in New York, aufhängen ließ. Kunden können die Teile, die sie in die Kabine mitnehmen, einscannen. Sie erscheinen dann auf dem Spiegel, der mit Touch-Screen-Technologie ausgestattet ist. Wer will, kann darüber beispielsweise die Verkäufer bitten, eine andere Größe oder Farbe zu bringen. Das ist ein Segen für alle, die es hassen, halbnackt durch den Laden zu laufen – aber nur ein Teil ausgeklügelter neuer Verkaufsstrategie.

Dazu gibt es, erklärt Schleicher, im Laden der Zukunft auch diese Angebote: Bei Onlinehändlern bestellte Kleider werden sich im Geschäft probieren und zurückschicken lassen, wenn sie nicht passen. Statt selber Einkaufstüten zu tragen, werden sie vom Kaufhaus geliefert. Influencer, denen Jugendliche derzeit im Internet beim Werbungmachen zuschauen, werden live auftreten. Für die Älteren wird es auf einer Etage eine Espressobar, auf einer anderen die Tapasbar geben, auch eine Ecke für Kochkurse, Fitnessstunden oder Stricken.

Angst vor Leerstand

Die Sportartikelfirma Adidas hat das schon mal in Berlin vorgemacht und für einige Tage einen sogenannten Pop-up Store eröffnet, Name: „Knit for You“. Die Kunden konnten dort einen Pullover, wie sie ihn wollten, fertigen lassen. Unternehmen mühen sich um Hippness und schickes Ambiente zugleich.

Diese Verführung zum Immer-mehr-Kaufen muss man nicht gut finden. „Sie ist in der modernen Warenwelt noch stärker als in der alten“, sagt Armin Valet, der den Handel für die Verbraucherzentrale Hamburg beobachtet.

Allerdings: In allen 175 deutschen Warenhäusern von Karstadt und Kaufhof wird es die neue Warenwelt gar nicht geben. Schon weil an 25 Orten zwei direkt nebeneinander liegen, mancher die beiden auch gar nicht unterscheiden kann, werden einige schließen. Veröden dann doch die Innenstädte?

Schließlich sorgt sich der Deutsche Städtetag schon länger, dass kaum einer mehr durch Fußgängerzonen schlendert. Er hat zusammen mit dem Handelsverband HDE bereits das Positionspapier „Eigentum verpflichtet“ herausgegeben. Die beiden schlagen etwa vor, dass Eigentümer von Immobilien Mieten von der „Besucherfrequenz“ abhängig machen.

Vielleicht ist nur der Name überholt

Experte Stumpf aber meint: „Es wird keinen Leerstand geben.“ Karstadt-Eigner Benko, ein österreichischer Immobilienunternehmer, sei „sicher selbst an der Wertsteigerung der Häuser gelegen“. Das bedeute, dass in den meisten Läden blieben, aber Büros, Gastronomie Freizeit- und Fitnesssanbieter hinzukommen würden.

Handelsexperten wie Stumpf und Schleicher gucken zum Beispiel in die Schweiz, auf die Welle 7, ein Einkaufszentrum nahe dem Bahnhof Bern. Das zehnstöckige Gebäude gehört dem Migroskonzern, vereint 15 Shops, 14 Gastrobetriebe, Sporträume und Co-Working-Spaces, also zu mietende Arbeitsplätze. Soll heißen: Der Name Warenhaus mag überholt sein. Aber das Kaufhaus und ein Restaurantbesuch müssen nicht aus der Mode kommen.

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