Funkquintett The Internet aus L.A.: Momente von Hypnose

Das Funk- und Soulquintett The Internet aus Los Angeles spielte in Berlin. Am besten ist die Band, wenn sie stoisch und krautig klingt.

Eine Sängerin mit sehr kurzen Haaren auf einer Bühne.

Die Sängerin Syd von The Internet, hier bei einem Konzert im Hamburger Mojo Club 2014 Foto: Future Image/imago

Wenn das Wetter dazu einlädt, den Abend zu Hause mit ein, zwei alten Blue-Note-Platten zu verbringen, sagen wir Hank Mobley, „Funk in Deep Freeze“, man sich aber im bis auf die Ränge voll besetzten Festsaal Kreuzberg wiederfindet, dann muss was dran sein an der Band, die da gerufen hat. In diesem Fall The Internet, ein Funk- und Soulquintett aus Los Angeles, Kalifornien; sein Publikum ist ein bunt gemischtes Völkchen, eine community, die sich vom Dauerregen nicht hat abschrecken lassen.

Hochgesteckte Afrofrisuren und Jazzbärte wie aus den Fünfzigern sind zu sehen, osteuropäische und asiatische Idiome zu hören. Kaum, dass die Gemeinde vollzählig die Sta­tio­nen Garderobe und Einlass passiert hat, wird auch schon das Saallicht gedimmt, und auf der Bühnenleinwand erscheint eine Animation, kleine Figuren eingefasst in einer größeren Figur in farbenfroher Siebziger-Ästhetik. Im Laufe des Konzerts sollen sie von Cursorpfeilen, die ein Eigenleben beginnen, psychedelischen Schlieren, Kerzen, einer Blumenwiese und Sendeschlussgranulat abgelöst werden.

Dazu pocht herzschlagartig ein Groove, gegeben von Schlagzeuger Christopher Smith, der sich und sein Instrument interessanterweise am linken Bühnenrand hinter einer Plexiglaswand abschirmt, und Bassist Patrick Page II, er wird auch einen Auftritt als Rapper haben. Gitarrist Steve Lacy, den Namen teilt er sich mit dem US-amerikanischen Sopran­saxo­fonisten, der unter anderem mit dem Free Jazzer Cecil Taylor musizierte, tut, was gute Gitarristen tun; er setzt schon mal aus, spielt sehr ökonomisch und pointiert.

Ein Buddha mit Basecap

In einem Moment freilich schwingt er sich zu einem mächtig knirschenden Solo auf, in dem man eine Hommage an Prince & the Revolution, zirka zurzeit von „Purple Rain“, vermuten darf. Lacy gewinnt auch klar an der Hemdenfront, so ein Weiß mit einem Wellenmuster aus Korallenrot und Blaugrün hat Seltenheitswert. Am rechten Bühnenrand thront Keyboarder Matt Martians hinter seinem Instrument, ein Buddha mit Basecap. Mittendrin Sängerin Syd, Kommunikatorin und Moderatorin des Abends, die früh im Konzert fragt, wie viele Pärchen denn im Publikum seien und wie lange schon zusammen. „Vier Jahre, sieben gar“, nicht schlecht, staunt sie. Als sie „25“ hört, muss sie eine Pause machen.

Denn einer der Songs, den The Internet spielen, handelt vom Ende einer Beziehung: „Just Sayin’ “ von ihrem dritten, 2015 erschienen Album „Ego Death“. Das Publikum möge die zentrale Zeile „You fucked up“, du hast es verkackt, mitsingen, bittet Syd. Allein, die ersten Versuche tönen ihr noch zu zaghaft. „Leute, stellt euch vor, ich wäre eure, euer Ex. Noch mal von vorn. Ja, so ist besser.“ Stichwort Aggression: Zum Ende hin gerät das Konzert doch etwas zu smooth. The Internet sind toll, wenn sie einen stoischen, fast schon krautigen Soul spielen, so zum Beispiel in „Roll (Burbank Funk)“ oder „Bravo“ vom aktuellen Album „Hive Mind“, aus dem ein Großteil des Abends schöpft.

Live geht da noch mehr: An einer Stelle trommelt Smith einen stetigen Rhythmus aus drei, vier heftigen Basedrum-Kicks und krönt diese Runden abwechselnd mit je einem trockenen Beat auf der Snare beziehungsweise einem scheppernden auf Snare und Becken. Das ist schon Hypnose, so wie Smiths Schlagzeugsolo, das er unvermittelt in einem Song platziert, einem Deep-Purple-Freakout nahekommt. Nicht bekommen ist das Konzert dem englischen Pärchen, das sichtlich und hörbar tief in den Abend geschaut hat und um 23 Uhr in die Kreuzberger Nacht schwankt. „Fucking problems“, stöhnt er, „fucking issues“, murrt sie zurück. Ob die beiden es noch mal schaffen?

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