Freund der Moderne im Dritten Reich: Gurlitt hortet Gemälde

Er liebte die Moderne. Im Dritten Reich verlor H. Gurlitt den Job und handelte für die Nazis mit „entarteter Kunst“. Seine Sammlung ist gigantisch.

Von Cornelius Gurlitt zum Verkauf angeboten: „Löwenbändiger“ von Max Beckmann. Bild: dpa

BERLIN taz | Noch gehören die 1.500 vom Zoll beschlagnahmten Gemälde Cornelius Gurlitt. Der 80-Jährige, der der Behörde vor zwei Jahren auffiel, als er aus der Schweiz nach Bayern einreiste, ist der Sohn von Hildebrand Gurlitt (1895–1956). Dieser gehörte während des Nationalsozialismus zu dem kleinen Kreis von Kunsthändlern, die im Auftrag des Propagandaministeriums beschlagnahmten Kunst gegen Devisen verkauften.

Derart privilegiert, hatte Gurlitt die Bilder wohl in den 30er und 40er Jahren erworben. Nach dem Krieg erklärte er, nach einem Bombenangriff sei sämtliche Kunst in seiner Dresdener Wohnung verbrannt. Dem ist aber nicht so, wie die Öffentlichkeit jetzt und Zoll sowie Staatsanwaltschaft schon seit zwei Jahren wissen.

Der Dresdner Kunsthistoriker Gurlitt war ein Freund der modernen Kunst. Von 1925 bis 1930 leitete er das städtische Kunstmuseum in Zwickau. Dort baute er eine Sammlung mit zeitgenössische Werken – etwa von Max Pechstein, Erich Heckel oder Karl Schmidt-Rottluff – auf.

Sein fortschrittlicher Kunstgeschmack wie seine „jüdisch versippte“ Herkunft führten 1930 zu seine Entlassung. Danach ließ er sich als Kunsthändler in Hamburg nieder, wo er bis 1933 auch den Kunstverein leitete. Obwohl er auf Betreiben der Zwickauer NSDAP seine Stellung verloren hatte, wurde er später vom Reichspropagandaministerium als Einkäufer für den „Sonderauftrag Linz“, also die Sammlung des sogenannten Führer-Museums eingesetzt.

Verwertungskommission

Neben Karl Buchholz, der in New York mit seinem emigrierten Partner die Buchholz Gallery Carl Valentin gegründet hatte, dem Bildhauer Bernhard A. Böhmer und den Kunsthändlern Ferdinand Möller, Berlin, und Kurt Haberstock, München, gehörte er zudem der „Kommission zur Verwertung der Produkte entarteter Kunst“ an.

Nach dem Krieg wurde Hildebrand Gurlitt erfolgreich entnazifiziert, entlastet durch seine jüdische Herkunft, sein Fernbleiben von NS-Organisationen und seinem Einsatz für die Kunst der Moderne.

Unter den anderthalbtausend Bildern sind etwa 300 Leinwände mit „entarteter Kunst“ aus deutschen Museen und weitere 200 Gemälde von der „Lost Art“-Suchliste. Um die Herkunft der restlichen 1.000 Bilder zu klären, wurde die Kunsthistorikerin Meike Hoffmann beauftragt. Ihre Nachforschungen könnten manche Fragen in derzeit noch anhängigen Restitutionsfällen klären. Gleichzeitig tun sich aber andere Fragen auf und werden neue Restitutionsbegehren gestellt werden.

Können die Eigentumsfragen nicht eindeutig geklärt werden, bleiben die Kunstwerke im Besitz von Cornelius Gurlitt. Zudem ist fraglich, ob bereits sämtliche Kunstwerke gefunden wurden. Noch nach dem Besuch der Zollfahnder bot der alte Herr dem Kölner Auktionshaus Lempertz Max Beckmanns „Löwenbändiger“ an. Wie Experten feststellten, stammte das Bild aus dem Nachlass des Kunstsammlers Alfred Flechtheim.

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