Frauenmorde in Deutschland: Es nennt sich Femizid

Die Bundesregierung weiß wenig über Gewalt an Frauen. Das zeigt eine Anfrage der Linken. Bedarf, dies zu ändern, sieht die Groko offenbar nicht.

Studentinnen sehen sich ein Kunstwerk mit Gesichtern von ermordeten Frauen an der Technischen Universität von Santiago de Chile an

In einigen lateinamerikanischen Ländern werden Frauenmorde gesondert registriert und bestraft Foto: ap

Wenn die Medien über eine „Familientragödie“ oder ein „Eifersuchtsdrama“ berichten, dann ist in Wahrheit meist ein Mord an einer Frau geschehen. Würde man jedes Mal „Frauenmord“ schreiben, dann wäre wohl deutlicher, dass in Deutschland alle drei Tage eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet wird.

Auf einen umgebrachten männlichen Lebensgefährten kommen drei weibliche. Ist es sinnvoll, für Frauenmorde einen eigenen Begriff zu prägen? In der internationalen Debatte wird das Wort „Femizid“ verwandt. Darunter fallen Beziehungstaten, die häufigen Vergewaltigungen mit anschließender Tötung in Lateinamerika und Mexiko sowie die Ermordung weiblicher Säuglinge. Wo es ein strukturelles Machtgefälle zwischen den Geschlechtern gibt, da laufen Frauen Gefahr, wegen ihres Geschlechts ermordet zu werden, so die ­Theorie.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verwendet den Begriff Femizid – und auch die Linkspartei möchte ihn in die deutsche Debatte einführen. In Ländern wie Mexiko und Argentinien wird diese Form der Tötungsdelikte gesondert registriert und bestraft. Das hat erhebliche Aufmerksamkeit auf dieses Phänomen gelenkt.

Die Bundesregierung hat das Ansinnen jetzt ­zurückgewiesen. In der Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion, die der taz vorliegt, heißt es, die Definition der WHO sei „nicht klar konturiert“. „Die Bundesregierung macht sich die von der WHO verwendete Auslegung daher nicht zu eigen.“ Aber sie ist, und das erzürnt Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, insgesamt eher untätig, was das Thema Gewalt an Frauen angeht.

„Frauenmorde“ statt „Tragödien“

Die Istanbul-Konvention verpflichtet Regierungen dazu, genauere Daten über Gewalt gegen Frauen zu erheben und eine Stelle zu unterstützen, die diese Daten auswertet. Das alles tue die Bundesregierung nur unzureichend, so Möhring. Es gebe lediglich seit 2015 das jährliche Lagebild des BKA zu Partnerschaftsgewalt. Die Mordmotive werden darin jedoch nicht erfasst. Und über die 227 außerhalb von Beziehungen getöteten Frauen ist erst recht nichts bekannt.

Hilfeeinrichtungen klagen unisono über mangelhafte finanzielle Absicherung

„Mit der Antwort offenbart die Bundesregierung, dass sie nicht über genug Informationen über Gewalt an Frauen verfügt, insbesondere dann nicht, wenn diese Gewalt nicht im Rahmen von häuslicher Gewalt stattfindet“, so Cornelia Möhring zur taz. Über Morde an Trans*frauen oder Frauen, die mehrfach diskriminiert sind, ist der Regierung ebenfalls nichts bekannt, obwohl erste Untersuchungen laut Möhring ergeben hätten, dass diese Gruppen einem besonders hohen Risiko ausgesetzt seien, Gewalt zu erfahren.

„Es stellt sich die Frage, wie die Bundesregierung effektiv und präventiv Gewalt an Frauen bekämpfen will, wenn sie weder über ausreichende Informationen verfügt noch über Pläne, das bestehende Hilfesystem auszubauen, wozu auch die Einrichtung einer unabhängigen Koordinierungsstelle gehört“, so Möhring. Die Bundesregierung hält eine solche Stelle für unnötig, die Ministerien von Bund und Ländern seien ausreichend, heißt es in der Antwort.

Doch aus ebendiesen Ministerien kommen bisher weder zusätzliche Daten noch Aktivitäten, um gezielter gegen Gewalt an Frauen vorzugehen. Auf die Frage nach ihren Plänen verweist die Bundesregierung zum x-ten Mal auf ihr Hilfetelefon, das weibliche Gewaltopfer an Hilfeeinrichtungen vermittelt. Diese aber klagen unisono über mangelhafte finanzielle Absicherung. Der Linken ist das entschieden zu wenig. Schrieben die Zeitungen etwas öfter explizit von „Frauenmorden“ statt von „Tragödien“, vielleicht würde sich dann mehr bewegen.

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