Frauen in Parlamenten: Parité auf Umwegen

Die Grünen in Niedersachsen fordern eine Enquete-Kommision für ein Paritätswahlgesetz. Obwohl das für SPD-Ministerpräsident Weil „Chefsache“ ist.

Bundestag

Ausnahmsweise: abwechselnd eine Frau und ein Mann in den SPD-Bundestagssitzreihen Foto: dpa

HANNOVER taz | Zum Beispiel Gölenkamp. Der Gemeinderat im Landkreis Grafschaft Bentheim hat keine einzige Frau. Etwa 50 niedersächsische Gemeinden waren nach der Kommunalwahl 2016 reine Männerfestspiele. Mittlerweile konnte zwar hier und dort eine Frau nachrücken. Aber in gleicher Anzahl? Fehlanzeige. Gleichstellung sehe anders aus, findet Anja Piel, Fraktionschefin der Grünen im Landtag von Niedersachsen. Und die erfordere „konkrete Taten“. Am Donnerstag berät der Innenausschuss über einen Antrag ihrer Partei für ein niedersächsisches Parité-Gesetz, das für Geschlechterausgewogenheit in politischen Institutionen sorgen soll.

Ende März hatten die Grünen ihren Antrag bereits in den Landtag eingebracht – nachdem Brandenburg als erstes Bundesland Ende Januar ein Paritätswahlgesetz beschlossen hatte. Noch immer sind Frauen in Deutschlands Parlamenten nicht ausreichend vertreten. Im Bundestag finden sich nicht einmal 31 Prozent weiblicher Abgeordneter, im niedersächsischen Landtag liegt der Frauenanteil bei 27,7 Prozent, in niedersächsischen Kommunalparlamenten bei durchschnittlich 23,5 Prozent. Angesichts solcher Zahlen ließ sich selbst CDU-Kanzlerin Angela Merkel zu Sätzen hinreißen wie „Das Ziel muss Parität sein“ und „Parität erscheint mir logisch“.

Doch was der obersten Frau im Staat „logisch erscheint“, muss noch lange nicht umgesetzt werden. Der Widerstand gegen die Parité ist groß. Auch in Niedersachsen. Und das, obwohl SPD-Ministerpräsident Stephan Weil zu Beginn des Jahres bekundet hatte, sich für ein Paritätswahlgesetz einsetzen zu wollen. „Wir müssen mit Bedauern, aber nüchtern feststellen, dass es ohne entsprechende Vorgaben nicht gelingt, dass Männer und Frauen in gleichem Maße in den Parlamenten vertreten sind“, sagte Weil im Januar.

Der Frauenanteil im niedersächsischen Landtag ist mit der letzten Landtagswahl 2017 sogar gesunken, bis dahin zählte das Landesparlament noch über 31 Prozent Frauen. Damit teilt Niedersachsen das Schicksal des Bundestages, vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 betrug der Frauenanteil dort 36,5 Prozent. Es sind – im Bund wie in Niedersachsen – vor allem männerdominierte Parteien wie die FDP, AfD und CDU, die die Frauenquote massiv senken.

SPD prescht vor, SPD rudert zurück

Seit Weil die Parität zur Chefsache erklärt hatte, ist in Niedersachsen allerdings nicht viel passiert. Im Gegenteil, seit die Grünen konsequent „Die Hälfte der Macht den Frauen“ fordern, rudert die SPD zurück. Als der Landtag im Januar anlässlich des 100-jährigen Frauenwahlrechts das erste Mal die Parität thematisierte, sagte Johanne Modder, Chefin der SPD-Landtagsfraktion: „Wer sich ein bisschen mehr mit der Materie befasst, stellt schnell fest, dass diese Forderung nicht ganz einfach umzusetzen ist.“ Regierungssprecherin Anke Pörksen mahnte, die Umsetzung sei eine „verfassungsrechtlich schwierige Kiste“.

Die CDU lehnt die Parität ab. „Eine Änderung des Wahlrechts sehen wir derzeit nicht“, sagte CDU-Generalsekretär Kai Seefried. Seine Partei sei aber offen für Ideen, betonte er.

Anja Piel, Fraktionschefin der Grünen im Niedersächsischen Landtag

„Gleichstellung sieht anders aus und erfordert konkrete Taten“

Die haben die Grünen mit ihrem Antrag vorgelegt – und dafür sogar einen „Umweg“ gewählt. In dem Papier, das am Donnerstag zum ersten Mal im Innenausschuss beraten wird, fordern sie eine Enquete-Kommission, „die einen Vorschlag für ein niedersächsisches Parité-Gesetz erarbeitet“. Damit fordern sie die Parität nicht direkt, sondern über die Kommission, die kompromissvolle Vorschläge erarbeiten soll.

Auch „drittes Geschlecht“ berücksichtigt

Das Gremium soll unter anderem klären, welche Gesetze geändert werden müssen, um die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern in den Parlamenten zu gewährleisten. Der Antrag greift zudem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu einem dritten Geschlecht auf und gibt der Enquete-Kommission die Frage mit auf den Weg: „Wie können dabei auch Menschen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen, angemessen berücksichtigt werden?“

Es ist damit zu rechnen, dass der Antrag bei der CDU keinen Jubel, bei der SPD Verhalten und bei der Linkspartei Zustimmung auslöst. Den Linken genügt eine Geschlechtergleichheit in den Parlamenten allein indes nicht. Sie fordern, „die Gesellschaft nachhaltig zu verändern“, wie Heidi Reichinnek sagt. Laut der Linken-Landeschefin gehört dazu unbedingt gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit.

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