Frankreich verabschiedet Gesetz: Psychische Gewalt wird strafbar

Die Nationalversammlung stimmt einstimmig für ein Gesetz, das Frauen besser schützen soll. Auch die Nötigung zur Zwangsheirat wird mit bis zu drei Jahren Haft bestraft.

Zu oft schutzlos. Bild: jala/photocase

PARIS taz | Im vergangenen Jahr starben in Frankreich 159 Frauen an den Folgen von gewaltsamen Misshandlungen durch ihren männlichen Partner. Der Kampf gegen diese Gewalt gegen Frauen, die zu oft noch in der Anonymität der Intimsphäre bleibt, muss auch nach Ansicht der Parlamentarier eine politische Priorität werden. Dazu hat die Nationalversammlung am Donnerstagabend in einem einstimmigen Votum eine Gesetzesvorlage von Familienministerin Nadine Morano verabschiedet.

Zum besseren Schutz geschlagener Frauen sollen ihre bereits bestraften Peiniger dank elektronischer Fußfesseln auf Distanz gehalten werden. Viel Beachtung findet aber vor allem die Schaffung eines neuen Delikts, das psychische Gewalt innerhalb eines Paars mit bis zu drei Jahren Gefängnis und 75.000 Euro Geldbuße bestraft.

Bei der Notrufnummer für geschlagene Frauen bestätigt man aus der Erfahrung der Anrufe von Hilfesuchenden, dass in der Mehrheit der Fälle der physischen Brutalität verbale Drohungen, Demütigungen und Beschimpfungen vorausgehen, gegen die der machtlosen Justiz aber bisher weitgehend die Hände gebunden waren.

Den Gesetzgebern war bewusst, dass die Trennlinie zwischen einem mit Worten ausgetragenen Ehestreit und einer Erniedrigung nicht einfach zu ziehen ist. Ihrer Definition zufolge ist es strafbar, wenn "das wiederholte Verhalten und die Worte darauf abzielen, die Lebensbedingungen des Opfers herabzusetzen, indem dessen Rechte und Würde verletzt oder dessen physische oder geistige Gesundheit beeinträchtigt wird".

In der Praxis wird es für das Opfer dennoch schwierig sein, den Tatbestand psychischer Gewalt zu beweisen. Die Richter werden häufig vor widersprüchlichen Aussagen der Lebenspartner stehen und müssen sich dabei auf Zeugenaussagen oder schriftliche Beweise wie Briefe, Mails oder SMS stützen. Für die Psychiaterin und Feministin Muriel Salmona besteht der große Fortschritt darin, dass diese Form der Gewalt als Delikt endlich beim Namen genannt und so von der Gesellschaft nicht länger ignoriert wird.

Wer andere, meistens seine Tochter oder Schwester, zu einer Zwangsheirat nötigt, macht sich jetzt ebenfalls strafbar und riskiert nach dem neuen Gesetz bis zu drei Jahre Gefängnis. Damit stellt Frankreich Praktiken unter Strafe, die vor allem in eingewanderten Familien aus dem Maghreb, Afrika, dem Mittleren Osten und Asien noch als "Tradition" gelten.

Eine weniger klare Haltung hat der französische Staat gegenüber den Opfern, die flüchten, um nicht gegen ihren Willen verheiratet zu werden, und die Schutz suchen. Das zumindest verdeutlicht das Schicksal der 19-jährigen Najlae, die vor einer Woche wegen illegalen Aufenthalts im Schnellverfahren nach Marokko abgeschoben wurde. Sie war 2005 nach Frankreich gekommen, um einer drohenden Zwangsheirat mit einem Cousin zu entgehen. Sie wohnte seither bei einem Bruder, der sie angeblich regelmäßig misshandelte.

Als sie am 18. Februar von ihm erneut wegen einer Zigarettenkippe erneut verprügelt wurde, ging sie zur Polizei. Statt ihr Hilfe zu gewähren, nahmen die Behörden sie aufgrund eines früheren Ausweisungsentscheids fest und schickten sie bereits zwei Tage später nach Marokko, bevor ihre empörten Mitschüler etwas unternehmen konnten. Die Organisation "Ni putes ni soumises", die sich vor allem für die Frauenrechte in den Vorortquartieren einsetzt, ist entsetzt über dieses Vorgehen: "Wenn Frauen, die Klage wegen Gewalt einreichen wollen, mit einer Ausweisung rechnen müssen, bedeutet das, sie zum Schweigen zu verurteilen."

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