Forschung in den neuen Bundesländern: Aufbau Ost mit Lupinen

Ob Ultrakurzpuls-Laser aus Jena oder Organische Elektronik aus Dresden – das Programm „Unternehmen Region“ fördert seit 15 Jahren.

Die Protonen-Behandlungseinheit im "OncoRay - Nationales Zentrum für Strahlenforschung" am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden.

Ein Vorzeigeprojekt: OncoRay, das Nationale Zentrum für Strahlenforschung am Universitätsklinikum Dresden. Foto: dpa

BERLIN taz | Es mundet nicht nur veganen Schleckermäulern: das pflanzliche Speiseeis „Lupinesse“, frei von Cholesterin, Gluten, Laktose und tierischen Inhaltsstoffen. Das aus der „Blauen Süßlupine“ gewonnene Eiweiß kann auch in anderen Milch- und Käseprodukten eingesetzt werden und könnte bald dem Soja als Fleischalternative den Rang ablaufen. Entwickelt wurde die Ernährungsinnovation, die vor einem Jahr auch mit dem Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet wurde, von dem Rostocker Forschungskonsortium PlantsProFood.

Das am Markt erfolgreiche Lupineneis war in dieser Woche eines von vielen Beispielen auf der Berliner Konferenz des Förderprogramms “Unternehmen Region“, mit dem das Bundesforschungsministerium (BMBF) seit 15 Jahren versucht, den ostdeutschen Bundesländern per Innovationsschub aus der wirtschaftlichen Talsohle zu helfen. Insgesamt 1,57 Milliarden Euro wurden seit 1999 an BMBF-Mitteln in rund 3.000 Einzelprojekte investiert, bei denen sich jeweils Wissenschaftler und Unternehmen zusammentun, um in ihrer Region eine bestimmte technische Innovation marktfähig zu machen.

Ultrakurzpuls-Laser aus Jena oder Organische Elektronik aus Dresden, beide ebenfalls mit dem Zukunftspreis des Bundespräsidenten „geadelt“, entstanden aus Initiativen von „Unternehmen Region“. Obwohl es in Sachsen-Anhalt keinen Autohersteller gibt, konnte sich das Zuliefernetzwerk MAHREG für die Autothemen Aluminium und Virtuelles Engineering bilden, das heute über 10.000 Beschäftigte umfasst.

Mit Forschung dem Osten wirtschaftlich auf die Beine helfen? Für Hans-Peter Hiepe, den zuständigen Programmleiter des BMBF, ist es keine Frage, dass dies gelingen kann: „Wir haben viel bewegt in den 15 Jahren.“ Nach der Wende, als die alten Industriekombinate der DDR flächendeckend zusammenbrachen und ein funktionierender Mittelstand kaum vorhanden war, blickt Hiepe zurück, „ging es um die Erschließung der endogenen Innovationspotenziale“. Im Unterschied zum „Aufbau Ost“ der Infrastrukturpolitiker mit Straßenbau und Stadtsanierung setzte die Forschungspolitik auf die „Ressource Kreativität“.

Mit Forschung dem Osten wirtschaftlich auf die Beine helfen? Insgesamt 1,57 Milliarden Euro wurden seit 1999 an BMBF-Mitteln in rund 3.000 Einzelprojekte investiert

Werden die klugen Köpfe richtig zusammengebracht, kann einiges bewegt werden. In Dresden entstand in zehn Jahren aus dem Innovationscluster OncoRay das Nationale Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie, das zusammen mit Kollegen aus Heidelberg heute international an der Spitze dieser Krebsbehandlungstechnik steht. Gern erzählt Hiepe auch die Geschichte vom Musicon Valley im Vogtland, wo die alte Handwerkstradition des Musikinstrumentenbaus mit neuen Technologien der Materialbehandlung verheiratet wurde.

Wie es weitergehen kann, skizzierte der Kölner Zukunftsforscher Klaus Burmeister mit Blick auf die Automatisierung der Produktion, habe diese heute die Dienstleistungen erreicht. Für die Zukunft stehe die „Automatisierung von Wissen“ an. Deep Learning werde das „nächste große Ding“ der Informationsgesellschaft sein, sah Burmeister voraus. Schon jetzt zeichne sich in der Bildung, wo Deutschland nur im Mittelfeld liege, „ein digitaler Tsunami“ ab.

Eine kritische Stimme

Kritisch wurde auf der Konferenz die Bewertung des Düsseldorfer Innovationsforschers Jens Südekum aufgenommen. In der Auswertung zahlreicher internationaler Studien war er zu dem Urteil gelangt, dass die Förderung von Wirtschaftsclustern nur geringe ökonomische Effekte nach sich ziehe, quasi die Antithese zur Konferenz.

Da musste sogar Forschungsministerin Johanna Wanka (CDU) aufstehen, um zu kontern: „Aber unsere Expertenkommission für Forschung und Innovation hat uns das genaue Gegenteil erzählt.“ Es wäre hilfreicher, wenn sich die Ökonomen besser abstimmen würden.

Anderswo im Westen kommen die Erfolgsbeispiele aus Ostdeutschland besser an. So verständigte sich der Bundestag in der vorigen Woche darauf, das Programm „Unternehmen Region“ im nächsten Jahr um zusätzlich 10 Millionen Euro aufzustocken, damit es auch auf die westdeutschen Bundesländer ausgerollt werden kann. Das Geld solle „bundesweit für Regionen mit besonderen Herausforderungen beim Strukturwandel eingesetzt werden können“, begründete die CDU-Bundestagsabgeordnete Anette Hübinger aus Saarbrücken den Schritt: „Davon kann auch das Saarland profitieren“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.