Flüchtlingspolitik in Gambia: Die neue Hoffnung

Jahrelang floh die Jugend Gambias vor Repression und Armut ins Ausland. 2016 jedoch wurde ein neuer Präsident gewählt. Adama Barrow verspricht Alternativen zur Emigration.

Menschen im gambischen Serrekunda feiern den Wahlsieg von Adama Barrow Foto: ap

ABUJA taz | Die erste Dezemberwoche 2016 wird unvergesslich bleiben. Die Wahlergebnisse waren noch nicht offiziell, da räumt der langjährige Diktator Yahya A.J.J. Jammeh seine Niederlage bereits ein. Am Tag drei nach den Wahlen werden Oppositionelle aus dem Gefängnis freigelassen. Der neue Präsident Adama Barrow verspricht einen Wirtschaftsaufschwung, mit dem auch der Weg durch die Wüste, der „Backway“ wie man in Gambia sagt, der Vergangenheit angehören soll.

Eine bittere erste Novemberwoche 2016 für Gambias Jugend war vorangegangen: Die junge Fußballerin Fatim Jawara stirbt beim Überqueren des Mittelmeers von Libyen nach Italien. Die Torhüterin der Nationalelf war gerade einmal 19 Jahre alt. Sie wollte unbedingt in einem europäischen Team spielen. Eine Woche später stirbt der 22-jährige Superstar im Wrestling, Ali Mbengu, weil das Boot, das ihn zu neuen Ufern transportieren sollte, ebenfalls vor der Küste Libyens kentert.

Gambier stehen auf der TOP-10-Liste von Frontex jener Flüchtlinge, die an den Mittelmeerküsten Europas ankommen, obwohl das kleine Land nur 2 Millionen Einwohner hat. Gambias Staatspräsident Yahya A.J.J. Jammeh wurde in europäischen Medien als einer zitiert, der gambischen Auswanderern und Flüchtlingen keine Träne nachweine und sich weigert, gescheiterte Asylantragsteller wieder zurückzunehmen. Im Oktober hatte die USA ihrer Botschaft Anweisung gegeben, gambischen Regierungsbeamten keine Visa mehr auszustellen, solange Gambia sich weigert, 2.000 Gambier zurückzunehmen, die in den USA kein Anrecht auf Aufenthalt bekommen konnten.

Jammeh störte das wenig. Er hatte bereits vor Jahren eine andere außenpolitische Orientierung eingeschlagen. 2012 wurde Gambia zur islamischen Republik erklärt und die Ölstaaten am Golf zu bevorzugten Ansprechpartnern. Seit einem gescheiterten Putschversuch im Dezember 2014 rissen die Berichte über Menschenrechtsverletzungen, Folter in Gefängnissen und willkürliche Verhaftungen nicht mehr ab. Amnesty International berichtete über das „Verschwinden lassen“ unliebsamer Oppositioneller. Krude Beschimpfungen von Aidskranken und Homosexuellen gehörten zu Jammeh’s Propagandarepertoire. Seit 2012 hat sich die Anzahl der Migranten Richtung Europa und USA verfünffacht. Italien, Deutschland und die Schweiz sind bevorzugte Zufluchtsländer.

Wirtschaftskraft durch Migration

Das kleine Land am Gambia-Fluss, eingeklemmt zwischen Nord- und Süd-Senegal, hat laut Weltbank in den vergangenen drei Jahren etwa 20 Prozent seines Bruttoinlandproduktes verloren. Die größte Devisenquelle ist der Tourismus. 60 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als 1,25 US Dollar pro Tag. Gut 25 Prozent des Bruttoinlandsproduktes besteht mittlerweile aus Auslandsüberweisungen.

Europa scheint so nah, was den Anreiz oder auch familiäre Druck zur Migration verstärkt. Gut 8.000 Gambier landen jedes Jahr an Europas Stränden. Während 11.773 als Asylsuchende in Europa registriert sind, zählen die Statistiker der Weltbank 76.400 Arbeitsmigranten weltweit – etwa 9,7 Prozent von Gambias Bevölkerung. Jeder 100-Euro-Schein der von Migranten nach Hause geschickt wird, hat einen immensen Wert für die Familien, denn die Wirtschaftskraft ist kaum der Rede wert.

Kein Wunder, dass Präsident Jammeh bislang nichts gegen die Migration unternahm. Allerdings ist der sogenannte „Brain Drain“, die Abwanderung hoch qualifizierter Arbeitskräfte, immens: Über 60 Prozent der Migranten gehören zu den gebildeten Schichten der urbanen Bevölkerung. Diese Arbeitskraft sind durch die 17 Prozent Ausländer, die aus den Nachbarstaaten nach Gambia kommen, kaum auszugleichen. Eine Rückkehr der Emigranten wird viel Überzeugungsarbeit kosten, und auch überzeugende finanzielle Anreize. War die europäische Entwicklungshilfe bisher eingefroren, so könnte jetzt der Weg freigemacht werden, um Beschäftigungsprojekte für junge Menschen und Investitionen anzuschieben.

Transit für Senegal

Offiziell ist Gambia in den Rabat-Prozess eingebunden. 2006 wurde in Rabat ein Dialog über Migration und Entwicklung eingeläutet, in dem es auch um Verhinderung von irregulärer Migration und Rückschiebungen geht. Die Beziehungen zur EU basieren auf dem Abkommen von Cotonou, dem europäischen Partnerschaftsvertrag mit der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (EPA EU – ECOWAS), der Entwicklung und Migration miteinander verknüpft. Dort ist im Artikel 13 die Rückführung von irregulären Migranten vorgesehen. Frontex hat bereits 2010 unter Federführung von Österreich eine große Rückführungsaktion von Gambiern und Nigerianern aus Zypern, Finnland, Deutschland, Griechenland, Irland, Norwegen, Polen und Schweden unternommen. Diese Aktion hat sich so bisher nicht wiederholt.

Gambia ist aufgrund seiner einzigartigen Lage, als Streifen mit Küstenanbindung innerhalb Senegals, automatisch ein Transitland. Senegalesen, die von ihrer Südprovinz Casamance in die Hauptstadt Dakar wollen, müssen Gambia durchqueren. Flucht und Migration gingen bisher in Gambia Hand in Hand. Da Gambia zur Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS gehört, in der visa-freies Reisen garantiert wird, ist die Grenzüberschreitung kein Problem.

Flüge sind in der Region nach wie vor nicht zu Easy-Jet-Preisen zu haben, somit werden Überlandstrecken von Kleinbussen und Sammeltaxis bedient. Frontex berichtet in seinem Afrika-Bericht 2016 namentlich von vier Busunternehmen, die regelmäßig Direktverbindungen in Nigers Hauptstadt Niamey anbieten, als betrachteten sie diese als Schleuserunternehmen.

Unterstützung für den neuen Präsidenten

Mit der Wahl des neuen dynamischen Präsidenten, der aus der Wirtschaft kommt, sind die Karten neu gemischt. Diese Situation birgt auch Möglichkeiten für die Europäische Union ihre Beziehungen neu zu gestalten und die Verknüpfung von Migrationsbekämpfung und Entwicklung durchzusetzen.

Nach der Ausrufung Gambias als Islamische Republik 2012 war die EU-Entwicklungshilfe auf Eis gelegt worden. Nach dem Bericht des UN-Sonderberichterstatters über Folter in Gambias Gefängnissen, wurde die Beziehung zwischen EU und Gambia noch frostiger. Der europäische Entwicklungsfond (EDF 2015/2016) für Gambia wurde von 21,96 Milliarden Euro im Zeitraum 2008 bis 2013 auf das Sümmchen von 30 Millionen Euro reduziert.

Der Vertrag war erst im Januar 2016 unterschrieben worden, nachdem Präsident Jammeh auf dem Migrationsgipfel in Valletta auf Malta die Toten im Mittelmeer bedauerte und einräumte, dass seine Regierung ihre Jugendbeschäftigungsprogramme „aus verschiedenen Gründen“ nicht umsetzen könne. Ein elf Millionen Euro schweres Jugend- und Ausbildungsprogramm der Europäischen Union lag zum Beispiel auf Eis. Es war nach dem Migrationsgipfel im Dezember 2015 in Valletta in die Liste der zu fördernden Projekte des Afrika-Treuhandfond aufgenommen worden. Jetzt könnte das Geld sofort freigegeben werden

In der gemeinsamen Presseerklärung am 3. Dezember 2016, von der Hohen Repräsentantin der Europäischen Union, Federica Mogherini, und dem Kommissar für Internationale Kooperation und Entwicklung, Neven Mimica, zu den Präsidentschaftswahlen in Gambia, heißt es auch gleich, dass die EU an der Seite des gambischen Volkes stehe und bereit stehe, den neuen Präsidenten bei allen seinen Vorhaben zu unterstützen.

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