Flüchtlingselend in Uganda: Von "Klein-Kigali" nach "Neu-Kongo"

Ab 2012 erkennt die UNO geflohene Ruander nicht mehr kollektiv als Flüchtlinge an. Ruandische Bewohner des UN-Lagers Nakivale in Uganda müssen gehen.

Ein Hutu-Junge aus Ruanda in einem Flüchtlingslager in Uganda im Jahr 1996. Bild: ap

NAKIVALE taz | "Klein-Kigali" besteht aus Hunderten kleinen Lehmhütten mit Stroh- oder Wellblechdächern entlang einer staubigen Straße. Dazwischen grasen Rinder und Ziegen, junge Männer zerlegen ein kaputtes Motorrad in Einzelteile. Sie diskutieren auf Kinyarwanda, die Sprache der Ruander. In dieser Siedlung im hintersten Winkel von Ugandas größtem Flüchtlingslager Nakivale, benannt nach Ruandas Hauptstadt Kigali, leben seit bis zu 17 Jahren Tausende ruandische Flüchtlinge, mehrheitlich Hutu.

Ende des Jahres läuft der vom UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR garantierte Flüchtlingsstatus für Ruander aus. Für die knapp 12.000 Ruander in Ugandas Lagern bedeutet dies: Sie haben bis spätestens 30. Juni 2012 Zeit, ihre Habseligkeiten zu packen und zurück in ihre Heimat zu gehen. Dies haben die ruandischen und ugandischen Flüchtlingsminister mit dem UNHCR entschieden.

Der Grund: Die über 200.000 Flüchtlinge aus den konfliktreichen Nachbarländern wie Kongo und Sudan sind für Uganda einfach zu teuer. 75 Millionen kostet deren Versorgung jährlich, so UNHCR. Ruanda gilt als vergleichsweise stabil, deswegen sollen die Ruander jetzt nach Hause.

Nun herrscht Panik in Klein-Kigali. Theoneste Muhire macht ein besorgtes Gesicht. Der Verkäufer steht in seinem kleinen Laden hinter dem Tresen, über ihm hängen Plastiktüten voller Gebäck von einer Wäscheleine, neben ihm stapeln sich Säcke mit Salz, Zucker, Mehl und Mais. "Ich habe Angst, zurückzugehen", gibt der Vater von fünf Kindern zu.

Der Sohn eines Tutsi-Vaters und einer Hutu-Mutter verließ seine Heimat nach dem Völkermord an bis zu 800.000 Tutsi 1994. Bis 2001 lebte er in einem Flüchtlingscamp in Tansania. Dann kehrte er nach Ruanda zurück. "Dort beschuldigte mich die Regierung, mit den Hutu-Rebellen im Kongo zu tun zu haben, weil mein Bruder im Kongo lebt", berichtet Muhire. So packte er wieder seine Sachen und ging nach Tansania zurück.

Zu Fuß nach Uganda

Als Tansania 2009 alle burundischen und ruandischen Flüchtlinge aus dem Land warf, marschierte Muhire zu Fuß über die Grenze nach Uganda. "Ich würde alles dafür tun, nicht nach Ruanda zu müssen", sagt er. "In Ruanda gibt es keine Menschenrechte."

Die Frauen vor Muhires Gemischtwarenladen nicken zustimmend. Die meisten sind Hutu, doch auch einige Tutsi sind darunter. "Wir kommen hier im Lager gut miteinander aus", erklären sie. "Wir gehen lieber in den Ostkongo als in unsere Heimat zurück. Erst wenn die Regierung wechselt, können wir nach Ruanda zurück." Unter dem autoritären Regime von Präsident Paul Kagame würden sie sich nicht sicher fühlen, sagen sie und berichten von Gerüchten über Folter und unmenschlichen Zuständen in den Gefängnissen.

Im Juli 2010 sollten die Ruander von Nakivale schon einmal nach Hause. Ugandas Polizei kam in Begleitung von ruandischen Soldaten mit Militärtransportern. Sie befahlen 1.700 Ruandern, auf die Lastwagen zu steigen. Es kam zur Massenpanik. Warnschüsse wurden abgefeuert. Kinder verloren im Chaos ihre Mütter. Unter Zwang wurden die Flüchtlinge über die Grenze nach Ruanda gebracht. Zwei Männer versuchten, vom fahrenden Lastwagen zu springen und starben an ihren Verletzungen.

Das soll sich nicht wiederholen, aber Solange Mukamana ist vorsorglich von Klein-Kigali in die benachbarte Siedlung "Neu-Kongo" umgezogen. Dort lebt die Ruanderin unter kongolesischen Flüchtlingen. Die 20-jährige Tutsi war während des Völkermordes 1994 als Kind mit ihren Eltern in den Ostkongo geflüchtet, lebte dort jahrelang in der Kleinstadt Rutshuru.

Dann überfielen 2010 die ruandischen Hutu-Rebellen der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) die Gegend. Mukamana floh erneut, nach Uganda, und gab sich beim UNHCR als Kongolesin aus. "Ich will einfach nie wieder nach Ruanda zurück und die Kongolesen werden ja wegen des Krieges vorerst nicht weggeschickt", erklärt sie.

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