Flüchtlinge: Creation trotz Frustration 

Mit einer Druckwerkstatt will eine Initiative Flüchtlingen vom Oranienplatz Perspektiven verschaffen. Ein Workshop am Wochenende war gut besucht - doch der Erfolg ist ungewiss.

Nirgendwo erwünscht: afrikanische Flüchtlinge. Bild: dpa

Auf die Frage, wie es um seine Situation steht, wendet Ibrahim schnell den Kopf ab. „No good“, lautet seine kurze Antwort, „nicht gut.“ Das Lächeln, mit dem er eben noch mit BesucherInnen in der Jugendkulturetage Mosaik in der Oranienstraße geredet hat, verschwindet aus seinem Gesicht. Monatelang hat der 22-jährige Flüchtling aus Niger erst auf dem Oranienplatz, später auch auf dem von Flüchtlingen besetzten Dach eines Wohnheims in der Friedrichshainer Gürtelstraße für bessere Flüchtlingsrechte und auch für ein Bleiberecht für sich und die anderen Protestierenden gekämpft – vergeblich. Nachdem sich die im März zwischen den Flüchtlingen vom Oranienplatz und dem Senat getroffene Einigung als wertlos erwiesen hat, steht er wie beinahe alle der ehemaligen OranienplatzbesetzerInnen vor dem Nichts: von Abschiebung bedroht, ausgeschlossen von staatlicher finanzieller Hilfe oder Unterbringung, ohne eine Perspektive.

„Wir sind wie Ratten“, sagt Mohammed, ebenfalls aus Niger und ebenfalls einst auf dem Oranienplatz und dem Dach der Gürtelstraße dabei: „Wer will schon Ratten im Haus haben? Man vertreibt sie oder tötet sie einfach.“ Noch können die beiden in Räumen der evangelischen Kirche in Kreuzberg schlafen: Doch „von Tag zu Tag“ würde entschieden, ob sie noch dort bleiben dürften, so der 30-Jährige, der alle Hoffnungen verloren hat. „We are lost“, sagt Mohammed: „Wir sind verloren.“

Dabei ist die Stimmung eigentlich gut an diesem Samstagnachmittag in der Mosaik-Etage, und die Initiative, die hierher eingeladen hat und zu der Ibrahim und Mohammed gehören, so etwas wie der letzte Hoffnungsschimmer für einige der Flüchtlinge. „Creation not Frustration“ heißt die Initiative, die von Flüchtlingen und UnterstützerInnen nach der Räumung des Oranienplatzes und der befristeten Unterbringung seiner BesetzerInnen in Flüchtlingsheimen – unter anderem dem in der Gürtelstraße – gemeinsam entwickelt wurde. „Wir sind damals regelmäßig in die Gürtelstraße gegangen und haben mit den Flüchtlingen überlegt, wie wir sie aus der Isolation und dem Frust holen und in Kontakt mit anderen Menschen bringen können – und vielleicht eine Perspektive entwickeln, die irgendwann in Arbeit führt“, sagt Christa Dentler von Creation not Frustration. Angefangen haben sie dann mit der Herstellung und dem Verkauf von handgenähten kleinen Schlüsselanhängern auf Flohmärkten.

Nun stehen in der Oranienstraße zwei von den Flüchtlingen selbst gefertigte hölzerne Siebdruckgeräte. In einem Raum der Jugendkulturetage sind selbst gestaltete T-Shirts und Beutel der Initiative ausgestellt: überfüllte Boote, die auf die Flüchtlingstragödien vor Lampedusa hinweisen sollen, gehören zu den Motiven, oder ein schwarz-weißes Paar, Hand in Hand, mit dem Slogan „We are one“.

Wie viele der ehemaligen Oranienplatzbesetzer noch in offiziellen Flüchtlingsheimen leben, weiß niemand genau. Der Senat spricht von 50 Menschen, FlüchtlingsaktivistInnen gehen von einer höheren Zahl aus. Fest steht: Sie alle müssen bis Ende Oktober raus. Auch die etwa 40 Flüchtlinge, die noch in der einst besetzten Schule in der Kreuzberger Ohlauer Straße leben, sind aufgefordert diese bis Monatsende zu räumen. 20 Flüchtlinge, die seit Mittwoch in einer Jugendeinrichtung in Friedrichshain Unterschlupf gefunden haben, sollen diese am heutigen Montag verlassen. Auch für die Menschen, die derzeit noch in kirchlichen Räumen leben, gibt es keine langfristigen Unterkunftszusagen.

Zu einer Demonstration gegen den Umgang mit den OplatzprotestiererInnen kamen am Samstagmittag etwa 500 TeilnehmerInnen. Begleitet von viel Polizei lief der Zug vom Oranienplatz bis zur Ohlauer Straße. Dort kam es zu Rangeleien zwischen PolizistInnen und DemonstrantInnen.

30 bis 40 Gäste sind stets anwesend bei dem Druckworkshop der Initiative. Sie nutzen die Gelegenheit, selbst T-Shirts oder Stoffbeutel zu designen und dabei mit den etwa zehn Flüchtlingen, die der Initiative angehören, ins Gespräch zu kommen. Diana Wahl von Creation not Frustration ist fast erstaunt über den regen BesucherInnenstrom, zumal der Ort des Workshops wegen des Kälteeinbruchs kurzfristig vom Oranienplatz in die geschlossenen Räume verlegt wurde. Die Initiative entwickele sich „positiv“, sagt sie vorsichtig. Eine andere im Zusammenhang mit dem Flüchtlingscamp entstandene Initiative überlege derzeit, Schürzen und Beutel bei Creation not Frustration in Auftrag zu geben. „Wir müssen langsam überlegen, ob wir uns als Firma gründen“, sagt Wahl.

Doch ob die Näh- und Druckidee den Flüchtlingen tatsächlich Zukunftsperspektiven verschaffen kann, ist offen: „Das ist erst mal ein Traum“, fürchtet Christa Dentler. Denn trotz einiger Verkäufe reichen die Erlöse nicht, um den mitarbeitenden Flüchtlingen zu einem Einkommen zu verhelfen: „Wir reinvestieren den größten Teil unserer Gewinne und können höchstens mal einem der Flüchtlinge eine Monatskarte für die BVG bezahlen“, so Wahl. Einkommen wäre aber die Voraussetzung für eine Aufenthaltsgestattung.

Amani, die einen der Siebdruckrahmen gerade von Farbe säubert, um die nächste von einer Besucherin entworfene Vorlage einzuspannen, gehört zu den wenigen Flüchtlingen hier, die vielleicht eine Perspektive haben. Die junge Frau aus Libyen hat Asylstatus in Italien. Nun ist ihr in Berlin ein bezahltes Praktikum angeboten worden. In den nächsten Tagen wird sie nach Italien fahren, um dort bei der deutschen Botschaft dafür ein Visum zu beantragen. Ob sie das bekommt, steht allerdings in den Sternen.

Ibrahim und Mohammed machen sich über ihre Zukunftsaussichten keine Illusionen. Er habe die Initiative mitgegründet, „um den Menschen hier zu zeigen, dass wir etwas tun können und tun wollen“, sagt Mohammed, der in Niger Literatur studiert hat: „Die Flüchtlinge kommen nicht hierher, um nur zu essen und zu schlafen. Wir brauchen bloß eine Chance!“ Doch die Mehrheit der Bevölkerung würde den Massenmedien und den PolitikerInnen Glauben schenken, die die Flüchtlinge insbesondere aus Afrika als Kriminelle darstellten. Seit die Polizei ihm und den anderen Flüchtlingen auf dem Dach der Gürtelstraße über Tage hinweg die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln verweigerte, ist er sicher: „Es gibt in Europa keine Menschenrechte und keine Demokratie für Schwarze.“

An der Druckmaschine bei Amani stehen derweil zwei junge blonde Studentinnen aus Mitte und begutachten zufrieden die Ergebnisse ihrer Entwürfe. Sie hätten über Facebook von der Veranstaltung erfahren und gedacht: „Das könnten wir uns ja mal ansehen“, sagt die eine. „Und dann sind wir viel länger geblieben als geplant“, ergänzt die zweite, „weil die Atmosphäre hier so toll ist.“ Mit Flüchtlingen hätten sie sonst nichts zu tun, sagen die beiden.

„Gefühlsmäßig waren wir immer bei den Protestlern“, sagt Rhaffi, die mit ihrer Tochter die fertigen T-Shirts begutachtet. „Aber bei den richtigen Supportern waren wir nicht dabei.“ Nun liebäugelt sie mit einem der T-Shirts mit dem Lampedusa-Boot-Aufdruck: „Vielleicht kann man damit ja doch mal jemanden zum Nachdenken bringen, wenn man ihm mit dem T-Shirt in der U-Bahn ein paar Stationen gegenübersitzt.“

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