Flüchtlinge in der Ukraine: Zuflucht in Pawlograd

Eine 30 Kilometer von Donezk entfernt liegende Industriestadt ist Anlaufstelle für viele aus dem Donbass. Sie wollen alles vergessen.

Rebellen tanzen in Donezk – für viele Bewohner ein Grund zur Flucht. Bild: dpa

PAWLOGRAD taz | Nach der Befreiung von Slawjansk und Kramatorsk durch die ukrainische Armee am Wochenende will Präsident Petro Poroschenko nun die Städte Donezk und Lugansk von den Separatisten befreien. Verteidigungsminister Waleri Geletej rief die prorussischen Kämpfer zum Aufgeben auf. „Es wird keine neue Feuerpause oder Verhandlungen geben, bevor die Separatisten nicht alle ihre Waffen niedergelegt haben“, sagte Geletej nach Angaben ukrainischer Medien in dieser Woche.

Der Bürgermeister der Millionenstadt Donezk, Alexander Lukjantschenko, äußerte, Präsident Poroschenko habe versprochen, auf eine Bombardierung Donezks zu verzichten. „In unserer dicht besiedelten Stadt würde dies zu einer Katastrophe führen“, sagte Lukjantschenko.

Mittlerweile herrschen in vielen Teilen des Donbass Wasserknappheit und mangelnde sanitäre Versorgung. Die Menschen fliehen. Im Nachbargebiet Dnepropetrowsk wurden 13 Flüchtlingszentren errichtet. Eines davon befindet sich in der kleinen Industriestadt Pawlograd, 30 Kilometer entfernt von Donezk.

Die meisten bleiben nicht lange dort. Sie fliehen aus Angst vor dem herannahendem Krieg in die Zentralukraine. Im Flüchtlingszentrum sind offiziell 160 Personen registriert. Die Dunkelziffer liegt vermutlich höher. Nicht wenige Flüchtlinge haben Verwandte oder Geschäftspartner in Pawlograd.

Boom auf dem Wohnungsmarkt

Irina ist Maklerin. Der Wohnungsmarkt habe in den letzten Monaten einen kleinen Boom erlebt, erzählt sie. Die Immobilienpreise seien um 20-30 Prozent gestiegen. Flüchtlinge hätten mit ihren letzten Ersparnissen Wohnungen erworben. In der Gebietshauptstadt Dnepropetrowsk kostet eine Wohnung zwischen 25.000 und 30.000, in Pawlograd 7.000 bis 8.000 Euro.

Die Mietpreise sind bislang unverändert. „Die Preise steigen nicht. Diejenigen, die es sich leisten können, kaufen die Wohnungen gleich. Der Rest hat kein Geld für hohe Mieten. Flüchtlinge, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind, werden vom Flüchtlingszentrum unterstützt und in Hotels, Freizeitzentren sowie Familien untergebracht.

Die Rentnerin Ljuba ist ins Flüchtlingszentrum gekommen, um ihre Hilfe anzubieten. „Ich lebe allein. Ich habe einen großen Garten, im Haushalt habe ich es mit meinen 75 Jahren schwer. Wenn ich jemanden aufnehme habe nicht nur ich etwas davon, sondern auch die Flüchtlinge.“

Noch sind Menschen wie Ljuba eine Seltenheit in Pawlograd. Die Mehrheit verhält sich den Flüchtlingen gegenüber vorsichtig. Gerüchte, darunter befänden sich Provokateure, die sich als Flüchtlinge tarnen, um die Eroberung der Stadt vorzubereiten, tragen das ihre dazu bei.

Die 26-jährige Friseuse Ljudmilla ist aus Slawjansk nach Pawlograd geflüchtet. „Alles was ich erlebt habe, versuche ich, zu vergessen wie einen bösen Traum“, sagt sie. Noch wohnt Ljudmilla im Hotel und ist auf der Suche nach Arbeit. Von ihrem ersten Gehalt möchte sie eine Wohnung mieten.

Aus dem Russischen: Ljuba Naminova

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.