Flüchtlinge in Schweden: Passkontrollen gegen liberales Image

Ab Januar führt das bisher aufnahmefreundliche Schweden Ausweiskontrollen ein. Damit sollen Flüchtlinge abgeschreckt werden.

Bald soll es vor allem in die andere Richtung gehen: Flüchtlinge bei der Einreise nach Schweden. Foto: dpa

STOCKHOLM taz | Reisende nach Schweden müssen in Zukunft wieder den Pass oder ein anderes Ausweispapier bei sich haben. Das hat das Parlament in Stockholm am Donnerstag auf Vorlage der rot-grünen Regierung beschlossen. Die Identitätskontrollen an den Landesgrenzen sollen sich zunächst auf öffentliche Verkehrsmittel beschränken: Bahn, Busse und Fähren. Das Gesetz tritt am 21. Dezember in Kraft, soll ab 4. Januar in die Praxis umgesetzt werden und 3 Jahre gelten.

Das Abrücken von der Freizügigkeit innerhalb der EU begründet Stockholm mit einer angeblich „ernsthaften Gefahr für die allgemeine Ordnung oder die innere Sicherheit des Landes“, die vom hohen Zustrom an Flüchtlingen ausgehe. Angesichts von vermutlich 190.000 Asylsuchenden in diesem Jahr, die große Mehrheit davon in den vergangenen vier Monaten, seien nicht nur das Asylsystem, sondern „zentrale gesellschaftliche Funktionen sehr hohen Belastungen ausgesetzt“, primär das Wohnungs-, Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen.

Das neue Grenzkontrollgesetz ist Teil eines Maßnahmepakets, mit dem ganz explizit die Einreise von Asylsuchenden gesenkt werden soll. Schweden hat im Verhältnis zur Bevölkerung in den vergangenen Jahren mehr Asylsuchende aufgenommen als jedes andere EU-Land. Ende November kündigte die Regierung deshalb an, man brauche eine „Atempause“.

Kritiker halten die ID-Kontrollen für wenig praktikabel. Zum einen würden sie große Probleme im grenzüberschreitendem Verkehr verursachen, zudem werde das Asylrecht ausgehebelt. Denn Flüchtlinge ohne Papiere – und das waren in der Vergangenheit rund die Hälfte aller Asylsuchenden – würden gar nicht mehr ins Land gelangen und hätten keine Chance zu einer Asylprüfung.

„Unanständige Panikgesetzgebung“

Das sei Absicht des Gesetzes, betont die Regierung. Denn die EU-Flüchtlingspolitik beruhe auf dem Prinzip, dass Asylsuchende im ersten sicheren Land, in das sie kommen, einen Asylantrag stellen sollen. Konkret: Wer nicht nach Schweden einreisen dürfe, könne immer noch in einem der EU-Nachbarländer, speziell Dänemark oder Deutschland, Asyl beantragen.

Neben der Rechtsaußenpartei „Schwedendemokraten“ – die das Land am liebsten vollständig gegenüber Flüchtlingen abriegeln möchte – stimmten nur Linke und die liberale „Zentrumspartei“ gegen das Gesetz: Sie kritisierten eine „unanständige Panikgesetzgebung“ und einen Verstoß gegen Menschenrechte und die europäische Solidarität.

Begründung der Regierung

„Absicht ist, die Asylregeln eine Zeit lang an das Minimumniveau innerhalb der EU anzupassen“

Mit ihr spiele man nicht nur Menschenschmugglern in die Hände, die die geplanten Kontrollen sowieso umgehen würden, die Maßnahmen seien auch gar nicht notwendig. Tatsächlich sind die Flüchtlingszahlen gegenüber November um zwei Drittel zurückgegangen. Es kommen jetzt weniger Menschen nach Schweden als vor Beginn der „Flüchtlingswelle“ Anfang August. Erste reguläre Aufnahmeeinrichtungen konnten wieder geschlossen werden.

Wettlauf der Schäbigkeit

Doch in der Gesetzesbegründung wird klar, dass Stockholm unbedingt seinen Ruf als humanes Aufnahmeland loswerden möchte: „Absicht ist, die Asylregeln eine Zeit lang an das Minimumniveau innerhalb der EU anzupassen.“

Man beteilige sich an einem Wettlauf der Schäbigkeit und daran, wer Flüchtlinge am besten abschrecken könne, kommentiert die linke Tageszeitung ETC. Profitieren würden davon letztendlich nur die „Schwedendemokraten“. Eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage sieht sie mit 22 Prozent nun als zweitstärkste Partei.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.