Flattr auf der Re:publica: Peter Sunde auf Marketing-Tour

Flattr will große Websites motivieren, ihre Buttons automatisch einzubinden. Noch immer fehlt dem Mikro-Bezahldienst für soziale Zwecke die kritische Masse.

Kann Flattr auch nicht erklären: Der "verrückte Schwede", dessen Video Sunde auf der re:publica vorspielt. Bild: screenshot: http://www.youtube.com/watch?v=8ptS8OwfVeE

BERLIN taz | Er ist sowas wie ein Pop-Star hier auf der Bloggerkonferenz Re:publica in Berlin. Groß schon der Applaus, als er auftritt. Peter Sunde steht auf der Bühne des Friedrichstadt-Palasts, im Kaputzenpulli, barfuß und fotografiert als erstes das Publikum, damit, so sagt er, nicht immer nur die Referenten fotografiert würden.

Sunde, der stets freundlich abstreitet, sich um Marketing zu bemühen, ja überhaupt um ein Geschäft, ("we do no business") ist hier, um von Flattr zu berichten, der Plattform, die der begabte Entwickler mitgegründet hat. Flattr ist ein Tool, mit der sich die Mitglieder der Plattform gegenseitig einfach und günstig gegenseitig kleine Beträge zahlen bzw. spenden können – mit sehr niedrigen Transaktionskosten. Auch taz.de verwendet deshalb Flattr im Rahmen seiner taz-zahl-ich-Kampagne.

Natürlich ist Sundes Geste, das Publikum als erstes zu fotografieren, Teil seines Marketings in eigener Person. Aber nicht nur: Es ist in gewisser Weise auch schon die Erklärung einer Eigenschaft von Flattr. Denn bei Flattr ist jeder Anbieter und Konsument zugleich. Wer einen Account hat, der kann Content mit einem Button versehen, dass jeder ihn freiwillig bezahlen, beziehungsweise unterstützen kann ("support"), wie Sunde das formuliert. (So ein Knopf findet sich auch unter diesem Artikel hier.) Und gleichzeitig kann er mit demselben Account jeden anderen unterstützen, der so einen Flattr-Button auf seiner Website hat. Genau wie Sunde: Er wird fotografiert – und fotografiert zurück.

Es hinkt noch etwas

Lässig steigt Sunde in seinen Vortrag ein, er sei froh, dass sein Vorredner überzogen habe, denn er habe "nicht so viel zu sagen". Er steht hier, um ein Jahr nach dem Start von Flattr zu erklären, wo Flattr nun steht. Und da hinkt es noch etwas hinter den Hoffnungen zurück. Auch auf taz.de stagnierte der Umsatz mit Flattr seit mehr als einem halben Jahr. Konsequenterweise zeigt Peter Sunde auch keine einzige Folie zu Umsätzen oder Verbreitung von Flattr.

Doch was ist der Grund für die langsame Verbreitung des Flattr-Tools? Für Sunde ist das größte Problem, dass nicht alle das Micropayment-Tool verstünden. Er zeigt deshalb nicht nur das firmeneigene Erklärvideo, sondern noch eines, in dem "the crazy swedish guy" in einem Youtube-Video versucht zu erklären, wie Flattr funktioniert. "Ich glaube, es ist ganz schön cool, denn es ist nicht von der Filmindustrie oder der Musikindustrie, es ist von uns gemacht", erzählt der Videoblogger. Und stottert ansonsten bloß herum.

Sicher, das Video ist eine Persiflage, aber es bringt eines der Probleme auf den Punkt: Dass viele nicht wissen, was Flattr ist, wer dahinter steckt. Und dass man das bei einem Unternehmen, das sich nicht wie eine Bank aufführt, technisch aber eine ist, doch sehr gerne wissen würde. Schließlich ist es ein großer Schritt, jemandem sein Geld anzuvertrauen.

Für Sunde aber ist das Problem kleiner. Er erklärt, es gehe bloß darum, dass die Leute das Prinzip nicht verstünden. Die Leute würden denken: "Es ist irgendwie cool, aber ich kapier es nicht." Sein Fazit: "Wir haben gelernt, dass wir ein Kommunikationsproblem haben." Das könnte auch jemand von der Deutschen Bank, von BP oder Google gesagt haben.

Zu dem möglicherweise mangelnden Vertrauen kommt ein anderes Problem von Flattr: Offenbar sind noch nicht so viele Leute zu dem Entschluss gekommen, dass es hilfreich für sie ist. Und dafür braucht es Methoden, stärker auf sich aufmerksam zu machen.

Fremden Content mit Buttons versehen

Mit einer will Flattr nun herauskommen, das so genannte "Revenue-Share"-Modell: Flattr will ab 1. Mai allen Flattr-Usern anbieten, auch fremden Content auf ihren Plattformen mit Flattr-Buttons zu versehen. Ein Blogger könnte zum Beispiel die Kommentare unter seinen Einträgen mit solchen Flattr-Button versehen. Blog-Hoster wie Blogspot oder Wordpress zum Beispiel könnten den Blogs Ihrer Kunden prophylaktisch solche Flattr-Buttons verpassen.

Die Idee: Wenn einer plötzlich sieht, dass auf seinem Content ein Flattr-Button steht und dass fremde Leute ihm Geld spenden, obwohl er gar nicht darum gebeten hatte, dann eröffnet er vielleicht ein Flattr-Konto, um das Geld abzuheben. Und wird so zum ordentlichen und aktiven Mitglied der Flattr-Community.

Wer die Flattr-Buttons auf diese Weise über fremden Content streut, soll dafür belohnt werden. Er bekommt einen Anteil der Gebühr, die Flattr bislang für jede Überweisung verlangt, nämlich zehn Prozent.

Nun muss man wirklich viel Content haben, der einem nicht gehört, um von der zehn-Prozent-Regel zu profitieren. Nehmen wir an, Flattr gäbe 1 Prozentpunkt ab, dann kommt dabei nicht allzuviel rum. Zur Orientierung: Auf taz.de gehen derzeit über Flattr rund 1.300 Euro im Monat ein.

Ganz anders wäre das natürlich, wenn Wordpress jeden Blog-User mit einem Flattr-Button versähe. Oder Websites vom Schlage von Youtube, Flickr oder Wikipedia die Accounts ihrer Kunden damit verzierten. Wenn nur eine von diesen auf dieses "Revenue-Share"-Modell einsteigen würde, könnte Flattr schnell die kritische Masse durchbrechen.

Denn selbst in Deutschland, wo viele wichtige Blogger, der Freitag und auch die taz Flattr nutzen, ist das Tool noch nicht wirklich allgemein bekannt. In anderen Ländern ist die Lage noch deutlich schlechter.

Noch nicht alle Fragen sind geklärt

Aber beim Revenue-Share gibt es zwei Probleme. Erstens könnte es die Flattr-User verunsichern, wenn sie nicht mehr sicher sein können, ob das Geld, was sie vergeben, überhaupt angenommen wird.

Zweitens stellt sich die Frage, was geschieht, wenn Geld an Leute gespendet wird, die sich trotzdem nicht entschließen mitzumachen. Was passiert dann mit dem gespendeten Geld? Nach Sundes Auskunft soll das Geld dann "nach einem Monat oder so" auf die Konten der Spender zurückgebucht werden. Genaueres könne er noch nicht sagen. "Wir experimentieren."

Genau diese Haltung, die aus der Gründungsidee von Flattr herrührt, könnte einmal zum Problem werden. Denn eine Bank, auch eine, die nur für soziale Zwecke Kleinstbeträge verwaltet, benötigt vor allem Vertrauen. Da sollte man sich mit dem Experiment etwas zurückhalten.

Das Vertrauen beruht zu einem großen Teil auf Peter Sundes Reputation. Der hat sich inzwischen aus dem operativen Geschäft von Flattr zurückgezogen. CEO ist seit Oktober 2010 Mitgründer Linus Olsson.

Sunde ist nur noch im Beratungsgremium, aber natürlich so etwas wie der Außenminister von Flattr. Und sein Mantra "Wir machen kein Marketing, wir sind Techniker", lässt sich längst nicht mehr aufrecht erhalten. Denn, wie er auf Nachfrage einräumt, habe man bei Flattr gerade die erste Marketing-Stelle besetzt. Und vor allem: Was ist das "Revenue-share-Modell" anderes als reines Marketing?

Flattr erklärt glaubhaft, keine rein kommerziellen Interessen zu haben, sondern bloß ein gutes Tool anbieten zu wollen. Eine Garantie dafür gibt es aber nicht.

Es ist zwar nur ein Scherz, wenn Peter Sunde am Schluss sagt: "Erst wenn alles Geld der Erde über Flattr geht, dann sind wir glücklich." Doch es gilt noch immer, was Sunde am Anfang seines Vortrages über die Philiosphie von Flattr gesagt hatte: Man habe den "Mittelsmann" entfernen wollen. Sprich: die Kulturindustrie. Denn mit Flattr können Anbieter und Konsumenten direkt verhandeln. Und das meint Sunde bierernst.

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