Finanzdaten im Ausland gespeichert: Spionage tatsächlich denkbar

Die Bundesregierung schließt nicht aus, dass US-Dienste Daten deutscher Finanzdienstleister ausspähen. Man sieht aber keinen Handlungsbedarf.

Die Allianz übergibt den Betrieb seiner Rechenzentren an IBM – keine Gefahr, meint das Unternehmen. Bild: ap

HAMBURG taz | Was passiert, wenn deutsche Finanzdaten von amerikanischen Firmen verwaltet werden? Liest dann der amerikanische Geheimdienst NSA mit? Die Erkenntnis der deutschen Bundesregierung: „Ein Zugriff der NSA in Kooperation mit entsprechenden IT-Dienstleistern auf Daten deutscher Finanzdienstleistungsunternehmen ist theoretisch nicht auszuschließen“, heißt es in einer Antwort des Finanzministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. Allerdings: Konsequenzen zieht das Ministerium daraus keine.

Schließlich, so heißt es weiter, liegen „derzeit keine Erkenntnisse“ darüber vor, dass Kundendaten deutscher Finanzdienstleister oder der von ihnen beauftragten IT-Unternehmen durch Geheimdienste abgeschöpft werden. Die Anfrage beruht auf Recherchen der taz.

Konkret geht es darum, dass Banken und Versicherungen die Kundendaten an externe Dienstleister im In- und Ausland ausgelagert haben. Der Bundesregierung ist allerdings unbekannt, in welchem Ausmaß. Eine Beurteilung sei jedoch „nur aufgrund konkreter Einzelfälle möglich“, heißt es in der Anfrage. Der „Einzelfall“ liegt allerdings vor: Der Münchner Versicherungsriese Allianz übergibt im April den Betrieb seiner Rechenzentren an den US-Computerkonzern IBM. Darin werden die vertraulichen Daten von 78 Millionen Kunden verarbeitet. Bis Ende 2017 will IBM aus seinen weltweit 140 Allianz-Rechenzentren sechs zentrale Einheiten machen.

Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung aber keinen. Man sei noch dabei, die Vorwürfe von Edward Snowden „umfassend“ aufzuklären, heißt es in der Antwort des Ministeriums. Erst nach einer Klärung des Sachverhalts werde die Bundesregierung „gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen einleiten“.

Vertrauliche Infos in Frankfurt und Paris

Allianz-Datenschützer Oliver Graf versicherte: „Deutsche Daten bleiben in Europa.“ Entsprechende EU-Datenschutzregeln würden eingehalten. Die vertraulichen Informationen deutscher Kunden sollen künftig von IBM in Frankfurt und Paris bearbeitet werden. Mögliche Hintertüren für die US-Auslandsspionage der NSA und anderer Geheimdienste sieht die in mehr als 70 Ländern tätige Allianz nicht.

Solche Aussagen stoßen in Zeiten, in denen selbst Regierungschefs abgehört werden, bei Datenschützern auf Skepsis. „Meines Erachtens kann ein deutscher oder europäischer Finanzdienstleister derzeit nicht guten Gewissens ein Outsourcing in den USA machen“, warnt der Datenschützer Thilo Weichert. Falls der Regierung handfeste Informationen über Zugriffe auf die Daten deutscher Finanzdienstleister vorlägen, wäre das wohl geheim.

In diese Kerbe schlägt auch der Finanzexperte der Linksfraktion, Axel Troost: „Die Bundesregierung will vom Datenklau durch die NSA lieber gar nichts wissen, um nicht tätig werden zu müssen.“ Der Wirtschaftswissenschaftler Troost fordert die Finanzaufsicht Bafin auf, den Datenschutz in Banken und Versicherungen zu überprüfen.

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