Filmstart „Jack Reacher“: Der kleine Cruise als großer Reacher

Für den No-Nonsense-Gestus der Romane Lee Childs suchte Regisseur McQuarrie ein Äquivalent im Stil des Actionkinos der 70er: So entstand „Jack Reacher“.

Szene mit Tom Cruise als Jack Reacher. Bild: dapd

Zu Beginn zehn Minuten reine Cine-Faszination: Ein Scharfschütze nimmt Position auf einem Parkhaus ein, streckt fünf Passanten nieder, flieht. Ermittler kommen zum Tatort, finden und sichern Spuren. Sie führen in überwältigender Stringenz zu einem Verdächtigen, der bald missbraucht und zusammengeschlagen, nur noch zu einer Kritzelei auf einem Blatt Papier fähig ist: „Holt Jack Reacher.“

Währenddessen fällt kein Wort: Bild – Montage – Assoziation. Eins führt zum anderen, aber auch zum Wissensvorsprung: Der Verdächtige ist nicht der Schütze. Das wissen wir, die Polizei weiß es nicht und auch nicht Jack Reacher (Tom Cruise), der, erst widerwillig, dann mit gesteigertem Interesse, der Verführungskraft der überkonkreten Evidenz widersteht.

Ein Spurenleser, der Spuren so genau liest, wie er die eigenen nicht nur verwischt, sondern von vornherein vermeidet: Jack Reacher – kein Pass, keine Meldeadresse, keine Kreditkarte und ganz sicher nicht auf Facebook anzutreffen. Dem Trend zur Virtualisierung der Welt stellt er einen neuen Existenzialismus der körperlichen Erfahrung entgegen. Ohne Besitz, durchtrainiert, mit der insbesondere auch körperlichen Erfahrung eines aus dem Dienst ausgeschiedenen Militärpolizisten ausgestattet, streift er durchs Land. Sherlock Holmes on the Road.

Seit 1997 hat Lee Child die Figur in bislang siebzehn, von eingeschworenen Fans gefeierten Bestsellern auftreten lassen. Und auch wenn der kleine Cruise in der ersten Verfilmung des Stoffs (basierend auf dem neunten Roman, „One Shot“) buchstäblich keine gute Figur macht – im Roman misst Reacher fast zwei Meter, ist muskulös, blauäugig, blond –, macht er zumindest seine Sache den Umständen entsprechend gut.

Für den No-Nonsense-Gestus der in lakonischem Stil gehaltenen Romane suchte Regisseur Christopher McQuarrie ein Äquivalent im Stil des Actionkinos der 70er: Im Vordergrund stehen Aktion und Reaktion handelnder Figuren statt kataklysmische Schauwerte, mit denen das jüngere Actionkino lockt.

Eine nächtliche Autoverfolgungsjagd, in der sich Reacher zwischen Mörder und Polizei wiederfindet, folgt hier eindrucksvoll nicht dem Höher-schneller-weiter-Gebot, sondern besticht durch Konzentration und souveräne Handhabe der technischen Mittel. Ein Film, der damit sehr lässig in sich ruht und dabei ohne weiteres noch alten Haudegen wie Robert Duvall und Werner Herzog Raum bietet, die am Ende als die eigentlichen Stars in Erinnerung bleiben.

„Jack Reacher“, Regie: Christopher McQuarrie. Mit Tom Cruise, Richard Jenkins, Werner Herzog u. a. USA 2012, 130 Min.

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