Film-Essay zu Vladimir Nabokov : Immer weiter verrätseln

Der semidokumentarische Film „Der Schmetterlingsjäger“ umkreist den Schriftsteller Vladimir Nabokov. Er bleibt dabei im Windschatten seines Stoffs.

Vladimir Nabokovs bevorzugter Sportwagen war der Jaguar E-Type. Bild: Harald Bergmann Filmproduktion

Nach einem guten Drittel des Films heißt es im Gespräch zwischen dem Philosophen und dem Regisseur, dass Nabokov dem angenommenen Leser gegenüber skeptisch gewesen sei. Der Leser müsse dem Autor gewachsen sein, heißt es da, er müsse so genau lesen wie der Autor, und weil die Mehrzahl eh nur zur Zerstreuung läse, müsse man davon ausgehen, dass es nur wenige gute Leser gibt. „Das glaub ich für den Film auch“, pflichtet der Regisseur bei.

Das ist einer der Momente, in dem Harald Bergmanns dokumentarischer Essay „Der Schmetterlingsjäger“ im Windschatten seines Stoffs fährt: Er sagt diesen Satz dann für sich selbst, zu seinem eigenen Publikum. Bergmann, der bereits Filme über Rolf Dieter Brinkmann und Friedrich Hölderlin gemacht hat, erzählt nun von Vladimir Nabokov. Er hat sich also eine der größten und zugleich rätselhaftesten Figuren der Literaturgeschichte zum Gegenstand gewählt.

„Nabokov erzieht seine Deuter zu Kabbalisten“, hat Michael Maar in seiner Studie „Solus Rex“ von 2008 über Nabokov gleich am Anfang geschrieben. In „Der Schmetterlingsjäger“ kann man sehen, was damit gemeint ist: Bergmann will aufschlüsseln nur im Modus der Verrätselung. Seine sanft biografische Literaturaufstellung, die Texte aus „Ada oder das Verlangen“, „Erinnerung, sprich“ und „Die Textur der Zeit“ verhandelt (vielleicht müsste man auch sagen: handeln lässt), kombiniert verschiedene Ebenen der Darstellung, die doch immer auch miteinander verbunden sind.

Durch die Schweizer Bergwelt

„Der Schmetterlingsjäger“. Regie: Harald Bergmann. Deutschland/Schweiz 2013, 135 Min.

So beginnt der Film mit der Romanfigur Van Veen (Ronald Steckel), einem glatzköpfigen Sportwagenfahrer, der auf der Suche nach der Frau Ada (Katerina Medvedeva) durch die Schweizer Bergwelt fährt, in der sich Nabokov nach dem Erfolg von „Lolita“ für das Ende seines Lebens im Exil niederlassen konnte.

Danach ist im Krankenbett Nabokovs 2012 verstorbener Sohn Dmitri zu sehen, der für den Film Texte spricht. Er sagt: „Insert“, darauf erscheint vor schwarzem Hintergrund: „Teil 1: Erinnerung, sprich“. Dann werden offensichtlich auf alt getrimmte schwarzweiße Schmalfilmaufnahmen gezeigt, die ein Paar zeigen, das man für Nabokovs Eltern halten könnte.

Der familiäre Rahmen wird geweitet zu einer großen, bürgerlichen Illustrationsfamilie, die sich zum Schauen des Films versammelt hat. Sie organisiert sich um – auch ein Figurenname aus „Ada“ – Marina (Corinna Kirchhoff) herum, und die Figuren von den anderen Ebenen des Films migrieren immer wieder in sie hinein; der Van-Veen-Glatzkopf genauso wie ein Autorendarsteller (der Hamburger Dichter Schuldt), der Nabokov zwar nicht ähnlich sieht, aber als Nabokov das berühmte Interview gibt („Lolita ist berühmt, nicht ich“).

Resonanzraum von Nabokovs Werk

Der Philosoph (der Altphilologe Heinz Wismann) und Regisseur (der Filmemacher Klaus Wyborny) sitzen an ihrem Schneidetisch ebenfalls in dem Haus, das als Resonanzraum von Nabokovs Werk und Familie fungiert. „Marina“, ruft Wismann, „sind da auf dem Dachboden nicht die alten Wiegen vom Onkel Daniel?“ „Ja, die müssten noch da sein“, antwortet Marina.

In diesen verschiedenen Rahmungen entfaltet Bergmanns Film seine Nabokov-Erzählung über die Zeit und die Kunst. Die nachgestellten Szenen bilden die vorgetragenen Nabokov-Texte dabei recht plastisch ab: Wenn Nabokov angesichts der Schwierigkeit, das Wesen der Zeit zu fassen, die Metapher aufruft, „es ist als ob man mit einer Hand im Handschuhkasten nach der Straßenkarte sucht“ und dabei immer nur findet, was man gerade nicht braucht, dann ist aufs Stichwort das Bild der tastenden Hand im Handschuhfach zu sehen.

Auf die Dauer nährt solches Memory von Wort und Bild eher Zweifel daran, ob man Literatur so direkt übersetzen sollte in Film. Verstärkt werden diese Zweifel von der generischen Großkinomusik (Karim Sebastian Elias), die unentwegt ertönt.

Das Zentrum von „Der Schmetterlingsjäger“ sind Wismanns kluge und klare Interpretationen. Was zu Selbstbezüglichkeiten führt, wie der anfangs erwähnten, wobei man, bei allem Respekt vor Nabokovs Strategien und Bergmanns Arbeit, nicht sagen kann, dass die Ironien und Koketterien Wybornys als Alter Ego des Filmemachers („Okay, das reicht, länger kann ich Sie nicht reden lassen“ – nachdem Wismann ausführlich und schön erzählt hat) von besonderem Reiz wären. Sie sind, im Gegenteil, ziemlich bräsig.

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