Feministische Außenpolitik: Frauen? Frieden? Ab in die Ausschüsse

Die Grünen wollen Feminismus zum Grundsatz deutscher Außenpolitik machen. Die AfD pöbelt, der Linken geht der Antrag nicht weit genug.

Eine Frau hat eine Kerze und eine lilafarbene Flagge mit dem Schriftzug "Feminista" in der Hand

Eine Frau demonstriert in Spanien am Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen Foto: imago/ZUMA Press

BERLIN taz | Als die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) am Freitagvormittag den Antragstitel der nächsten Aussprache vorlas, konnte sie ihn nicht einmal aussprechen. Das Thema „Feministische Außenpolitik“ schien sofort entsprechende Reflexe hervorzurufen. „Schönes Thema“, fiel Stephan Brandner (AfD) Roth ironisch ins Wort, seine Fraktion schien belustigt. Den Grünen war es mit ihrem Antrag jedoch ernst. Mit einer feministischen Außenpolitik sollen „die Rechte von Frauen und marginalisierten Gruppen durchgesetzt und gestärkt und somit patriarchale Strukturen überwunden werden“, heißt es darin.

Bereits vor zwei Wochen hatte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion erklärt, dass die Förderung der UN-Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ ein „Schwerpunktthema“ während der Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat sei. Konkrete Anstrengungen, die Rolle von Frauen in Friedensprozessen voranzutreiben, nannte sie darin jedoch kaum. Jetzt stellen die Grünen zahlreiche Forderungen, um den politischen Bekenntnissen Taten folgen zu lassen.

So müssten in sämtlichen außenpolitischen Bereichen „Genderperspektiven verankert und finanziell gestärkt werden“ – die Außenpolitik sollte also immer nach den Interessen von Mädchen und Frauen fragen und nur Projekte im Ausland fördern, die Geschlechtergerechtigkeit fördern. Außerdem müssten ein uneingeschränkter Zugang von Mädchen und Frauen zu gleichwertiger Bildung sowie sexuelle und reproduktive Rechte weltweit gewährleistet werden.

Der Antrag fordert außerdem, dass es auf allen außenpolitischen Verhandlungsebenen eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen geben müsse. Im gehobenen und höheren Auswärtigen Dienst müsse eine 50-prozentige Frauenquote im Auswahlverfahren erzielt werden. Es dürfe nicht sein, dass es größtenteils Männer sind, die über Krieg und Frieden verhandeln oder die höchsten diplomatischen Ränge besetzen. Heute wird nur jede siebte deutsche Botschaft von einer Frau geleitet, eine deutsche Außenministerin gab es bekanntlich noch nie.

Einsatz gegen Gewalt

Ein weiteres Thema, das die Grünen auf die Tagesordnung setzen wollen, ist das der geschlechtsspezifischen Gewalt in bewaffneten Konflikten. Sexuelle Gewalt wird in fast allen Kriegen als Waffe und Machtinstrument eingesetzt, in Nachkriegsgesellschaften kommt es zu einer erhöhten Anzahl von Taten im Bereich der häuslichen Gewalt. Eine feministische Außenpolitik bedeutet nach Ansicht der Grünen auch einen entschiedeneren Einsatz gegen geschlechtsspezifische Gewalt sowie das Verbot von Rüstungsexporten in Gebiete, in denen es zu diesen Menschenrechtsverletzungen kommt. „Wenn Frauen nicht selbst entscheiden können, wie und mit wem sie leben, braucht es jemanden, der für ihre Rechte kämpft“, sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger, die den Antrag maßgeblich vorbereitet hat.

Aus der Unionsfraktion gab es teilweise Zustimmung zu den grünen Forderungen. Es müsse sich ändern, dass fast nur Männer am Verhandlungstisch sitzen, wenn es um Krieg und Frieden geht, sagte die CDU-Abgeordnete Elisabeth Motschmann. Zu Beginn ihrer politischen Karriere hätte sie noch Schwierigkeiten mit dem Begriff des Feminismus gehabt. „Doch wenn es um die Rechte und Teilhabe von Frauen in allen Bereichen unserer Gesellschaft und weltweit geht, dann habe ich heute kein Problem mehr mit dem Feminismus“, sagte Motschmann weiter. Der Antrag sei ein „Weckruf“, jedoch mit 33 Forderungen „überfrachtet“, begründet sie die Ablehnung durch ihre Fraktion.

Vorbild der Grünen ist die schwedische Mitte-links-Regierung, die sich selbst als „erste feministische Regierung der Welt“ bezeichnet und bereits im Jahr 2014 Maßnahmen einer feministischen Außenpolitik eingeführt hatte.

Die FDP stimmte der Überweisung in den Ausschuss zu. „Deutsche Außenpolitik muss weiblicher werden“, meinte Renata Alt. Frauenbewegungen müssten weltweit unterstützt werden, ein Beispiel dafür sei die iranische #WhiteWednesdays-Bewegung gegen den herrschenden Kopftuchzwang. Das Label „feministisch“ hält Alt jedoch für „überflüssig und manchmal kontraproduktiv“.

Als einziger Mann in der Debatte sprach Petr Bystron von der AfD. Scharf griff er die Grüne Roth an, die gerade die Sitzung leitete. Grüne würden Frauen gegen Männer aufhetzen, Länder, in denen Frauen unterdrückt werden, seien „allesamt islamisch“. Er selbst soll zu seiner Fraktionskollegin Corinna Miazga im Bundestagswahlkampf 2017 gesagt haben, dass „Frauen wie sie eigentlich besser an einer Stange tanzen sollten.“

Eigener Antrag der Linksfraktion

Aus der Linksfraktion, die den Antrag grundsätzlich begrüßt, ist zu hören, dass demnächst ein eigener Antrag zum Thema eingereicht werden soll. Momentan wird dieser federführend von Stefan Liebich, Zaklin Nastic und Katrin Vogler vorbereitet, heißt es aus Liebichs Büro. Die Linke hat einige Kritikpunkte an dem Grünen-Antrag: Das Thema Flucht und Asyl werde ausgespart, die Forderungen zum Thema Rüstungsexporte seien nicht weitreichend genug. Sie fordern, dass sich Deutschland im UN-Sicherheitsrat für zivile Krisenprävention einsetzt. „Was uns im Antrag zudem fehlt, ist die Korrelation zwischen Armut und sexualisierter Gewalt“, sagt der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Stefan Liebich, zur taz.

Vorbild der Grünen ist die schwedische Mitte-links-Regierung, die sich selbst als „erste feministische Regierung der Welt“ bezeichnet und bereits im Jahr 2014 Maßnahmen einer feministischen Außenpolitik eingeführt hatte. So wurden beispielsweise Botschafterpositionen vermehrt mit Frauen besetzt sowie die Teilhabe von Frauen bei Verhandlungen gestärkt. Im Februar 2017 wurde eine schwedische Regierungsdelegation jedoch von iranischen Frauenrechtsaktivistinnen kritisiert, da sie sich bei einem Besuch des iranischen Präsidenten dem Kopftuchzwang unterordneten.

Auch der kanadische Premierminister Justin Trudeau, der sich selbst als Feminist bezeichnet, hat sich dem Prinzip einer feministischen Außenpolitik verschrieben. Im September 2018 veranstalte die kanadische Regierung das erste Treffen von Außenministerinnen, an dem 17 von weltweit 30 Chefdiplomatinnen teilnahmen, um über Frauen in Entscheidungsprozessen sowie den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen zu beraten.

Nach 45-minütiger Debatte wurde der Antrag der Grünen zur Beratung in den Auswärtigen Ausschuss überwiesen. Die vier ordentlichen Grünen-Mitglieder in diesem Ausschuss sind im Übrigen alle männlich.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.