Fehlende Kita-Plätze in NRW: Die Tagesmütter sollen es richten

Weil es in Nordrhein-Westfalen nicht genug Kita-Plätze gibt, werden die Eltern an teure Tagesmütter verwiesen. Einige lassen ihre Kinder da lieber zu Hause.

Zum heulen: Kinderbretreuung in NRW. Bild: dpa

KÖLN taz | Landauf, landab überschlagen sich die Kommunen in Nordrhein-Westfalen mit Meldungen, wie hervorragend sie den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige umsetzen. Auch Landesfamilienministerin Ute Schäfer (SPD) ist zuversichtlich.

„Gut vorbereitet und startklar“ seien die Kommunen, wenn der Rechtsanspruch am 1. August in Kraft trete. „Aufholjagd bringt großen Erfolg“, überschreibt ihr Ministerium eine Meldung. 144.880 Betreuungsplätze ständen für die ganz Kleinen ab August 2013 in NRW bereit, lautet die frohe Botschaft. 56.220 mehr als 2010.

„Das ist eine Mogelpackung“, sagt die Düsseldorfer Anwältin für Familienrecht Katharina Eibl. Denn mehr als ein Viertel der Plätze – 38.320 – befinden sich nicht in einer Kindertagesstätte, sondern bei einer Tagesmutter. Und bei vielen Plätzen in Kitas handelt es sich nicht um eine Ganztagsbetreuung, sondern um Teilzeitversorgung. „Eltern haben aber ein Wahlrecht, ob sie eine Kindertagesstätte oder eine Tagesmutter wollen“, stellt die Anwältin klar. Und: „Kinder haben Anspruch auf Ganztagsbetreuung.“

Tatsächlich weiß das Ministerium nicht, wie viele der 144.880 Plätze Ganztags- oder Teilzeitplätze sind. „Das ist nicht abgefragt worden“, sagt Sprecher Andreas Kersting. Die Jugendämter hätten für 57 Prozent der Plätze Mittel für eine 45-Stunden-Betreuung beantragt. Die Entscheidung, ob die Betreuung bei Tagesmüttern oder in einer Kita erfolge, liege bei den Kommunen. „Für uns sind die Plätze gleichwertig“, sagt er.

Urteile gibt es bisher nur wenige

Für die Eltern aber nicht. Claudia Höck, Mutter von zwei Söhnen, bekommt die Mogelpackung zu spüren. Ihr jüngster ist 15 Monate und hat ab 1. August keinen Kita-Platz. Die Höcks sind Ende vergangenen Jahres von Düsseldorf nach Köln-Sülz gezogen. Schon im vergangenen August hatte Claudia Höck bei der Stadt ihren Bedarf an Betreuung für die Söhne angemeldet. Nach langem Hin und Her bekam sie im Frühjahr eine Betreuung für den fünfjährigen Sohn. Für den kleinen Bruder gibt es in diesem Kindergarten keinen Platz. In einer anderen Kita auch nicht.

Die Eltern haben sich gegen die Betreuung des Kleinen bei einer Tagesmutter entschieden. Sie fürchten, einen eventuellen Kindergartenplatz zu riskieren, wenn sie ihren jüngsten jetzt dort unterbringen. Wie ihnen erscheint vielen Eltern die Unterbringung bei einer Tagesmutter nicht optimal zu sein, etwa weil die Ausstattung nicht mit der einer Kita zu vergleichen ist oder sie ein ernsthaftes Problem haben, wenn die Tagesmutter krank wird. Außerdem ist die Betreuung dort in der Regel teurer.

Vor Gericht ziehen, um einen Kita-Platz einzuklagen, wird Claudia Höck wohl nicht. Früher war sie in der IT-Branche tätig, jetzt ist sie nicht berufstätig, weil sie ihr Kind betreuen muss. Wie sie glauben viele, sie hätten bei einer Klage schlechte Aussichten, wenn nicht beide Elternteile berufstätig sind. „Den Rechtsanspruch haben aber nicht die Eltern, sondern die Kinder“, sagt Anwältin Eibl.

Urteile gibt es bislang zu solchen Fragen allerdings nur wenige. Bis vor Kurzem hat die Anwältin damit gerechnet, dass es eine Klagewelle geben wird – weil die Versorgung mitnichten so gut ist, wie Politiker behaupten. Doch danach sieht es nicht aus. „Eltern lassen sich mit unzureichenden Angeboten abspeisen“, sagt Eibl. Das gilt nicht nur für die Tagesmutter-Alternative. „Mit einer Betreuung von 7 Uhr morgens bis 11 Uhr vormittags ist der Rechtsanspruch nicht erfüllt“, sagt sie. Vielfach geben sich Eltern damit aber zufrieden, um überhaupt etwas zu haben. „Den Mut zu klagen bringen viele nicht auf“, sagt sie.

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