Fake News: Stille Post im Internet

Die Behörden entziehen einem Eigentümer zeitweilig die Verfügungsgewalt über leer stehende Wohnungen. Die Geschichte munitioniert Trump-Fans

Erklärt Donald Trump hier Angela Merkel, wie sie Geflüchtete unterbringen soll? Foto: Michael Kappeler/dpa

Niemand hätte wohl je daran gedacht, dass ein schmuckloses Haus in der Ohlendorffstraße im Stadtteil Hamm zum Gegenstand internationalen Interesses werden könnte. Genauso wenig dürfte damit gerechnet worden sein, dass ein Verwaltungsakt im Bezirk Mitte am Ende die Fake-News-Maschinerie jenseits des Atlantiks füttern könnte. Aber genau das ist in dieser Woche passiert.

In der Ausgabe vom 2. Mai veröffentlichte die taz.hamburg einen Bericht über die Immobilie: Der Bezirk Mitte hatte dem Besitzer die Verfügungsgewalt über das Wohnhaus entzogen, weil dieser darin mehrere Wohnungen jahrelang hatte leer stehen lassen – immerhin seit 2012. Zum ersten Mal wurden damit die relativ neuen Instrumente des 2013 – also lange vor der „Flüchtlingskrise“ – verschärften Hamburger Wohnraumschutzgesetzes angewendet. Dieses erlaubt bei Zweckentfremdung oder Leerstand von Wohnobjekten das zeitweise Einsetzen eines Treuhänders, sofern der Eigentümer nicht nachweisen kann, dass er selbst dafür sorgt, die Immobilie wieder bewohnbar zu machen. .

Darüber berichtete im Lauf des 2. Mai auch das Hamburger Abendblatt. Drei Tage später, am 5. Mai, war der Vorgang dann beim – längst nicht nur bei AfD-Anhängern beliebten – Onlinemedium „PI-News“ bemerkt worden: Dort erschien ein Bericht, in dem ohne jeden Beleg unterstellt wurde, die Wohnungen würden wohl „an eine bestimmte, derzeit in Deutschland bevorzugte Klientel“ vermietet werden. Noch einen Tag später verbreitete der Blog „Journalistenwatch“, der sich als Kontrollinstrument der „Lügenpresse“ versteht, den Beitrag erneut.

Von hier aus gelangte die faktenarme Geschichte von der „Zwangsenteignung“ im flüchtlingsfreundlichen Merkelland dann über den großen Teich: Der konservative Think Tank „Gatestone Institute“ veröffentlicht einen Bericht über die Vorgänge unter der Überschrift „German Confiscating Homes to Use for Migrants“ – am 14. Mai auf Englisch, tags darauf auch auf Deutsch: „Deutschland: Staat beschlagnahmt Wohnungen zur Unterbringung von Migranten“. Autor Soeren Kern fragt am Ende seines Textes: „Werden die Behörden ein Wohnraummaximum pro Person festlegen und diejenigen, die große Wohnungen bewohnen, dazu zwingen, sie mit Fremden zu teilen?“

Der Beitrag machte Karriere auf Facebook – aus der Sache war spätestens jetzt ein vermeintlicher Beleg für die verfehlte Einwanderungspolitik Deutschlands geworden. Das US-Blog „Gatewaypundit“ übernahm den ersten Teil von Kerns Beitrag wörtlich, ließ aber alle präzisierenden Erläuterungen weg, setzte irgendein Bild des „Flüchtlingsstroms“ darüber und titelte dann: „Germany Is Now Confiscating Homes To Use For Merkel’s Migrants!“ Dass es um Hamburg ging und nicht um Deutschland: egal. Dass Merkels Partei, die CDU, in Hamburg gar nicht regiert: zu vernachlässigen, zumal aus derart weiter Ferne.

Trump-nahe Foren wie „The Donald“ verbreiteten die Geschichte ebenso weiter wie die britische Gallionsfigur der „Alt Right“-Bewegung, Joseph Watson, dem immerhin rund 600.000 Menschen bei Twitter folgen. Weitere rechte Blogs und Foren griffen die Sache auf, in User-Kommentaren wurde Deutschland unter Merkel sowohl zur angeblich faschistischen wie auch kommunistischen Hölle.

Darauf wies dann Anfang dieser Woche, am 15. Mai, der FAZ-Blogger Don Alphonso hin – die Geschichte war also, zurück aus dem medialen Durchlauferhitzer, wieder in Deutschland angekommen; noch mal zwei Tage später bemerkte auch das Abendblatt, welche Karriere seine einst in der taz.hamburg entdeckte Geschichte gemacht hatte.

Dass es um Hamburg ging, nicht um Deutschland: egal. Dass Merkels Partei, die CDU, dort gar nicht regiert: zu vernachlässigen

„Völlig sprachlos“ über all das, ist die Sprecherin des Bezirksamts Mitte, Sorina Weiland: Die Aktivitäten im Bezirk lösten nur sehr selten eine weltweite Resonanz aus, sagte sie: „Das ist nicht mehr einzufangen.“ Der Bezirk hat derweil ganz andere Pro­bleme: Wegen maroder Wasserleitungen verzögert sich die Sanierung in der Ohlendorffstraße, wann es zur Neuvermietung kommt, ist völlig unklar.

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