Fairtrade in Kolumbien: Jede Bohne ein Stückchen Land

Die Kogi produzieren Kaffee in Bioqualität. Damit wollen die Ureinwohner den Kauf von Gebieten finanzieren, die ihnen einst geklaut wurden.

Kogi bei der Kaffeeernte Bild: Urwaldkaffee

BERLIN taz | In der Sierra Nevada de Santa Marta im Norden Kolumbiens leben rund 18.000 Kogi – mitten im Regenwald, zurückgezogen von der sogenannten Zivilisation. Die nebeligen Hänge, in denen der kaum assimilierte Stamm seit Jahrhunderten lebt, bieten alles, was es zum Leben braucht. Darunter auch ein Produkt, das weltweit gefragt ist: Kaffee.

1.600 Familien kümmern sich um die teils 40 Jahre alten Kaffeebäume. Pestizide werden dabei nicht verwendet, nicht mal natürlicher Dünger. Und sollte es doch einmal Schädlingsbefall geben, vertrauen die Kogi auf ein heilendes Ritual. „Man kann sich das wie ein Gebet vorstellen, aber dennoch anders, weil die Kogi dabei Kontakt zu Dingen haben, die wir nicht mehr kennen“, sagt Oliver Driver.

Der Kölner kaufte Anfang des Jahres knapp 18 Tonnen des schwarzen Golds und exportierte es nach Deutschland. Bezahlt hat er nach eigenem Bekunden rund 5,20 Euro pro Kilo. Vom Gewinn will er weitere 20 Prozent an die Kogi ausschütten. Damit zahlt Driver nach eigener Aussage „deutlich mehr“, als dies die Standards von Fairness-Siegeln verlangen.

Noch bis Ende Dezember ruft die von Driver gegründete Urwaldkaffee GmbH auf dem Crowdfunding-Portal Startnext dazu auf, den frisch gerösteten Kaffee vorzufinanzieren. 250 Gramm gibt es für 7,95 Euro, im Frühling 2015 wird der „Spezialitätenkaffee“ geliefert – mit einem Label der US-Organisation Specialty Coffee Association of America. Es soll Sortenreinheit, eine genaue Herkunftsbezeichnung und ein besonders aufwendiges Röstverfahren garantieren.

275 Unterstützer sind dem Onlineappell mittlerweile gefolgt. Für besonders kaufkräftige User gibt es ein Gratifikationssystem. Abnehmer von 4 Kilogramm Kaffee erhalten so ein durch das geistige Oberhaupt der Kogi, Máma José Gabriel, gesegnetes Armband dazu. 105 Menschen haben sich dafür bereits entschieden. Insgesamt sind über das Forum bisher knapp 30.000 Euro eingegangen. Doch das Finanzierungsziel, 75.000 Euro, wird bis Fristende so kaum erreicht werden.

Landrückkauf in 100 Jahren

„Natürlich bin ich nicht total zufrieden mit dem voraussichtlichen Endstand am 31. Dezember, aber mir war auch klar, dass die Zielmarke sehr hoch angesetzt war“, sagt Driver. Dem früheren Bauingenieur, der heute als Coach arbeitet, geht es bei dem Projekt nach eigener Aussage erst in zweiter Linie um den eigenen Geldbeutel.

Vor allem will Driver mit dem Kaffee einen Traum der Kogi erfüllen. Sie haben keine Handys, keine Fernseher, keine Schulpflicht und vertrauen lieber auf Schamanen als auf Ärzte. Aber die scheinbar unberührte heile Welt von Oberhaupt Máma José Gabriel und seinen Stammesgenossen leidet unter einem uralten Unrecht: Zahlreiche der heiligen Stätten der Kogi, die sich selbst „Hüter der Erde“ nennen, befinden sich in einem Gebiet, das ihnen vor vier Jahrhunderten weggenommen wurde – damals verwüsteten die Spanier auf ihrem Eroberungszug den amerikanischen Kontinent.

Jetzt wollen die Kogi ihr Land zurückkaufen – wenn auch nur Schritt für Schritt: „Allein der Rückkauf der Gebiete, wo sich die heiligen Stätten befinden, kostet geschätzt 130 Millionen Dollar, da viele in touristischen und wirtschaftsstarken Küstengegenden liegen“, erklärt Oliver Driver. Die Kogi konkurrierten dort mit Hotel- und Hafeninvestoren.

Zwar gebe es auch kleinere Grundstücke, die für ein paar tausend Dollar zu haben seien, insgesamt habe sich das Urvolk aber ein Zeitfenster von 100 Jahren gesetzt, bis der komplette ursprüngliche Lebensraum zurückgekauft ist.

In solchen zeitlichen Dimensionen zu denken hat den 51-Jährigen sofort fasziniert. Und selbst wenn mit dem deutschen Kaffeeprojekt nur ein kleiner Teil der erforderlichen Geldsumme zusammenkommt, ist das für den Kölner kein Problem: Wenn „dadurch auch nur ein kleines Stück Land zurückgekauft werden kann“, sagt Driver, „ist das Projekt ein Erfolg.“

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