Facebooks „Graph Search“: Weltherrschaft gesucht

Facebooks neue Suchfunktion kann das Internet verändern. Entweder weil es Google verdrängt oder eine gigantische Pleite für das Netzwerk wird.

Wer wen Matt setzt ist noch lange nicht ausgemacht in der Partie Facebook gegen Google. Bild: imago/gerhard leber

BERLIN taz | Als Mark Zuckerberg am Dienstag in Menlo Park, dem Facebook-Sitz, die neue Suchfunktion Graph Search vorstellte, dürften beim Internetkonzern Google alle Alarmglocken geschellt haben. Wie wichtig die Verbindung der Daten aus sozialen Netzwerken mit einer guten Suchfunktion für die Marktbeherrschung ist, zeigt unter anderem Googles langwieriger Kampf um den Ausbau des hauseigenen Online-Netzwerks Google+.

Mit der besten aller Suchmaschinen, die ihre Vorgängerinnen ohne Ausnahme in die Bedeutungslosigkeit verbannt hat und alle neue Konkurrenz, ob crowdgesourct und unabhängig oder selber an Konzerne gebunden erfolgreich an der Seitenlinie hält, ist das letzte Wort in der Kartografie des Internets noch lange nicht gesprochen. Neue Ideen und die Konkurrenz werden sich Bahn brechen, wenn es Google nicht gelingt, künftige Entwicklungen vorwegzunehmen und so die NutzerInnen mit ihren Daten im eigenen Kosmos zu halten.

Der Wert der personenbezogenen Daten der InternetnutzerInnen ist schließlich alles was zählt. Dieser Wert steigt, je umfassender die Profile der NutzerInnen sind. Auf diese Weise entsteht eine Datensammlung, die nach Belieben auf vermarktbare Häppchen runtergebrochen werden kann. Die Werbewirtschaft dankt – und zahlt.

Datensammlung auf verschlungenen Wegen

Bislang haben sich zwei Wege der digitalen Empirie als praktikabel erwiesen: Auf der einen Seite die unmittelbare Preisgabe von Interessen und persönlichen Daten in sozialen Netzwerken. Hier wird den NutzerInnen im Gegenzug die Möglichkeit einer umfassenden Vernetzung geboten.

Der andere Weg ist die vermittelte Informationssammlung der Suchmaschinen, die aus der Vielzahl an Suchanfragen empirische Modelle entwickeln können, die wiederum recht präzise Rückschlüsse auf die individuellen Interessen und Eigenschaften der NutzerInnen zulassen. Die Gegenleistung hier ist ein wenig Ordnung in dem ungeordneten Haufen an Informationen, der das Internet noch immer ist. Für den wirtschaftlich erfolgreichen Einsatz dieser Strategien sprechen die Börsenwerte von Google (über 140 Milliarden Euro) und Facebook (über 60 Milliarden Euro).

Die Daten sind das Kapital: Facebookgründer Mark Zuckerberg bei der Präsentation des Graph Search. Bild: reuters

Der zwangsläufig nächste Schritt in der Konzentration des Informationsflusses ist die Verbindung von Suche und sozialer Vernetzung. Deshalb weigert sich Google, entgegen der sonstigen Praxis zügiger Schließung ungenutzter Dienste, das relative Scheitern seines Netzwerkversuches Google+ anzuerkennen. Deshalb wagt Facebook nun den großen Wurf und dringt ins Feld der Netzsuche vor.

Weltkarte des Konsums

Die Ausgangsposition für einen erfolgreichen Einsatz der Suchmaschine ist günstig. All die „Likes“ und „Shares“ haben in den vergangenen Jahren eine Weltkarte des Konsums und sonstiger privater Interessen geschaffen, bestehend aus mehr als einer Billion Verbindungen zwischen Menschen, Bildern, Texthappen, Angeboten, Einladungen und Wünschen – letzlich also potenziellen KundInnen und Produkten.

Die Schwachstelle in diesem System ist der auf die aktiven NutzerInnen des Netzwerks begrenzte Suchkorpus. Die schon seit Jahren bestehende strategische Partnerschaft mit Microsoft gewinnt hier an Gewicht. Seit 2009 ist deren Suchmaschine Bing das Tor ins restliche Internet auf Facebook. Jetzt soll Bing die Leerstellen der Facebook-internen Suche füllen.

Das Kalkül ist offensichtlich: Die Internetsuche auf einer externen Seite, Google, soll für Facebook-NutzerInnen überflüssig werden. Es ist kein Zufall, dass die beiden Chefs der Graph-Search-Projektentwicklung vor ihrer Anstellung bei Facebook in verantwortlicher Stellung bei Google beschäftigt waren.

Dominantes Element

Die Bedeutung der Einführung des Graph Search betont Facebook schon im Design der vorerst nur für wenige NutzerInnen zugänglichen neuen Plattform. Neben der eigenen Timeline und dem Newsfeed der Freunde wird die Suchfunktion das dritte dominante Element der Seite sein. Die schrittweise Einführung soll helfen, über die Beobachtung des Nutzerverhaltens die Suchmaschine zügig zu perfektionieren.

Und perfekt muss sie schnell werden: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die NutzerInnen gnadenlos und ungeduldig in ihrer Entscheidung sind, welche Webdienste sie bevorzugen. Was gestern ein erfolgversprechendes Startup war, ist heute nicht einmal mehr als Ruine zu besichtigen. Vormalige Monopolisten sind schnell in trauriger Versenkung verschwunden, wenn das „nächste große Ding“ auf dem Markt war.

Sowohl Facebook, als auch Google kennen dieses zyklische Wesen der Internetgeschäftswelt sehr genau und behaupten sich gerade deshalb länger als ihre Konkurrenz. Durch Aufkäufe oder Kopie interessanter Startups und Konkurrenten haben sich beide Konzerne zwar immer wieder an die Spitze der Entwicklung gesetzt, aber erst der direkte Angriff auf das jeweilige Kerngeschäft des anderen kann eine Entscheidung darüber herbeiführen, wer die Kontrolle des Informationsflusses auf die nächste Stufe heben wird.

Erstes Börsenorakel

Die Anleger an den Börsen scheinen Facebook diesen Schritt nicht unbedingt zuzutrauen. Nach der Vorstellung des Graph Search sank der Kurs der Aktie, während Google sich stabil behaupten konnte. Bei Google wird man dieses kleine positive Signal sicher gerne sehen, aber sich gewiss nicht darauf ausruhen – und weiter versuchen, Facebook-NutzerInnen von den Qualitäten des eigenen Netzwerks Google+ zu überzeugen suchen, was wiederum nur Aussicht auf Erfolg hat, solange niemand wirklich am Suchmaschinenmonopol rüttelt.

Letztlich werden, wie immer, die NutzerInnen entscheiden, ob sie zufriedener mit dem neuen Gesicht ihres sozialen Netzwerkes oder der vertrauten Suchmaske Googles sind – oder ob am Ende das „nächste große Ding“ beide verdrängt.

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