Extra-Gebühren in Berliner Kitas: Die meisten Kitas lassen draufzahlen

Die Mehrheit der Kita-Träger erhebt Zusatzbeiträge für freiwillige Extras, zeigen erstmals erhobene Daten der Jugendverwaltung.

Schönes Angebot, kostet aber: Musizieren in der Kita

Obwohl inzwischen alle Kita-Jahre für Berliner Eltern beitragsfrei sind, erhebt eine Mehrheit der Kindertagesstätten Gebühren für freiwillige Extras wie Kinderturnen, Musikangebote oder Bio-Essen. Das legen Zahlen der Jugendverwaltung nahe, die seit September erstmals erhoben wurden: Rund 1.600 Einrichtungen, etwa 60 Prozent aller Berliner Kitas, seien bis zur Weihnachtspause der Meldepflicht nachgekommen, teilte eine Sprecherin von Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) auf taz-Anfrage mit.

Der überwiegende Teil, nämlich 75 Prozent, meldete Zuzahlungen an. Wie hoch die im Durchschnitt ausfallen und wofür im Einzelnen Geld verlangt wird, sei aber noch unklar, hieß es. Eine detaillierte Auswertung soll in den nächsten Wochen folgen, „wenn alle Kitas gemeldet haben“.

Weil sich diese Extras nicht gut mit der grundsätzlichen Gebührenfreiheit vertragen, die in Berlin inzwischen für alle Kita-Jahre gilt, gibt es seit dem 1. September 2018 zumindest eine Obergrenze für die freiwilligen Elternbeiträge für Früh-Englisch und Co. Nicht mehr als 90 Euro im Monat sind seither erlaubt. Zudem müssen die Kitas der zuständigen Stelle in der Jugendverwaltung offenlegen, wofür sie die Elterngelder im Einzelnen zu verwenden gedenken.

Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) verspricht sich davon, erstmals einen Überblick darüber zu haben, an wie vielen Kitas es überhaupt Extra-Beiträge seitens der Eltern gibt. Denn auch wenn niemandem der Kita-Platz verwehrt oder gekündigt werden kann, weil er oder sie den Trommelkreis nicht zahlen will oder kann: De facto kann man einem Kita-Träger kaum nachweisen, dass man den Platz nicht bekommen hat, weil man nicht bereit ist, fürs Zusatzangebot zu zahlen.

Kita-Träger legt Verfassungsbeschwerde ein

Die Frage ist, ob diese Obergrenze tatsächlich etwas an der Tatsache ändern kann, dass finanzstärkere Eltern bei der schwierigen Kita-Platzsuche in Berlin nicht länger bevorteilt sind. Denn zahlungswillige Eltern gibt es: Mehrere Eltern einer bilingualen Kita und der Kita-Träger selbst, die Kant Kindergarten gGmbh, hatten im Dezember angekündigt, Verfassungsbeschwerde gegen die Obergrenze einzulegen. Inzwischen sind die Beschwerden beim Berliner Verfassungsgerichtshof eingegangen, wie eine Gerichtssprecherin auf taz-Anfrage bestätigte.

Die Eltern, teilen die beauftragten Rechtsanwälte in einer Stellungnahme mit, fürchteten um das bilinguale Angebot der Kant-Kitas und seien „zu Zuzahlungen von 200 Euro und mehr im Monat bereit“. Die Eltern sehen sich in ihrem Erziehungsrecht beschnitten, der Kita-Träger, der rund 400 Plätze anbietet, in der Ausübung seiner Berufsfreiheit verletzt.

Nur ein Drittel von65 befragten Kita-Trägern verlangt mehr als 60 Euro

Tatsächlich mögen Zuzahlungen in dieser Höhe eher die Ausnahme als die Regel sein, wie auch Lars Békési vom Verband der Kleinen und Mittelgroßen Kita-Träger in Berlin betont. Eine Umfrage unter 65 Trägern habe ergeben, dass nur ein Drittel mehr als 60 Euro verlangt. Gehen die Träger über diese Grenze, verlangt die Jugendverwaltung, dass jedes Angebot einzeln zustimmungspflichtig ist. Vorher können sich die Kitas ein „Paket“ absegnen lassen.

Aber der Zwischenstand der Jugendverwaltung zu den gemeldeten Zuzahlungen zeigt eben auch, dass diese Extras in der Breite durchaus ein Thema sind. Meistens seien die von den Eltern gewollten Extras ein Frühstück- und Vesperangebot sowie Sport und Musik, sagt Dorothee Thielen, Kita-Referentin beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, der mehr als 500 Kitas in Berlin betreibt. Aber „die wenigsten gehen über die Paketlösung von 60 Euro“, betont Thielen.

Was allerdings trotz Obergrenze nach wie vor kaum zu kontrollieren sein dürfte: wenn Eltern sich dazu entschließen, auf eigene Faust Musikkreis oder Turnstunde zu organisieren. Da ist dann zwar nicht das Problem, dass die Zahlungs­bereitschaft mehr oder weniger direkt an den Kita-Platz ­gekoppelt ist. Aber eine Form der sozialen Ausgrenzung ist es sehr wohl, wenn ein paar Kinder in der Gruppe womöglich außen vor bleiben, während alle ­anderen Kinder trommeln gehen.

„Kein Kind ausgrenzen“

Michael Witte, pädagogischer Geschäftsführer bei den Kindergärten NordOst, ein Eigenbetrieb des Landes mit 76 Kitas, sagt: „Es gibt bei uns keine zusätzlichen Beiträge. Aber wenn Eltern etwas organisieren wollen, dürfen sie das tun.“ In etwa der Hälfte der Einrichtungen werde das auch gemacht, habe eine Umfrage vor einiger Zeit ergeben, sagt Witte. Er betont auch: „Dabei darf selbstverständlich kein Kind ausgegrenzt werden.“

Das Land Berlin erstattet seinen Kitas derzeit 94 Prozent der Kosten. Dieser Anteil soll bis 2021 auf 95 Prozent steigen. Gewerkschaften und auch der Paritätische Wohlfahrtsverband fordern seit Langem, den Träger­anteil komplett abzuschaffen. Denn die Kitas versuchen, die fehlenden Gelder wieder reinzuholen, indem sie zum Beispiel bei den Gehältern sparen.

Eine auskömmlichere Grundfinanzierung – Bio-Essen, Frühstück und Vesper werden ebenfalls nicht finanziert – hätte sicher auch zur Folge, dass sich Eltern weniger häufig eine bessere Betreuung einkaufen wollen. Das würde den Alltag in den Kitas zumindest ein bisschen gleicher machen.

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