Eurovisão am Tejo, Folge 1: Die Proben laufen wie am Schnürchen

Portugal ist gut auf den ESC vorbereitet – und die Künstler*innen proben fleißig. Nur die Favoritin gönnt sich eine Pause.

Die Hängebrücke Ponte 25 de Abril in Lissabon

Veranstaltungshalle direkt am Tejo: Der ESC 2018 findet in der Arena in Lissabon statt Foto: dpa

LISSABON taz | Dafür, dass Portugal ja letztes Jahr wie in allen Jahren seit den frühen Sechzigern, als dieses abseitige, dauermelancholisch gestimmte Land erstmals am Grand Prix Eurovision de la Chanson teilnahm und Jahr für Jahr die Spitzenkräfte der heimischen Popbranche dorthin schickte, um wieder und wieder zu scheitern, dafür jedenfalls hat man in Lissabon das Event gut im Griff. Alles findet in der Arena statt, der Veranstaltungshalle am Tejo, die zur Weltausstellung Expo 1998 erbaut wurde, und in den nebenliegenden Gebäuden statt, für die Pressearbeitsplätze, die Garderoben für 43 Acts, also knapp 200 Künstler*innen samt Backingsänger*innen.

Alles wirkt leicht abgeschabt, aber gepflegt. Die Sicherheitsleute sind von erlesener Freundlichkeit, das Abtasten beim Körperbombencheck ist von ausnehmend sanfter, doch auch robuster Zugriffigkeit. 4.000 Volunteers haben sich außerdem in den vergangenen Monaten gefunden, um mitzumachen bei diesem Festival europäischster Art.

Presse und Fans sind zufrieden, wie es nur geht. Es fehlt nicht an Wasser und Kaffee, gratis, es fehlt nicht an einer rasch erreichbaren Möglichkeit, um eine Zigarette, was sehr viele gern nutzen – und loben, weil die Plätze um die großen Aschenbehälter von Rattanmobiliar umsäumt wird, mit Polstern.

Und weil es so gewöhnlich ist, weil ich es seit so vielen Jahren gern miterlebe, möchte man es nicht mehr erwähnen, aber wahr bleibt es: Von einer Krise Europas, von Brexit und osteuropäischem Nationalismus und illiberalen Vorstellungen von Demokratie ist nichts zu spüren. Sofern es die Sprachkenntnisse zulassen, spricht man miteinander – oder man gestikuliert auf das Fachsimpelste, was ja auch in der anderen Sphären gut funktioniert, bei Urlaubsbekanntschaften etwa oder wenn es körperlich zum äußerst Schönsten kommt.

Ansonsten ist dieser 63. ESC auf eine Art anders als die anderen – man machte ja nie Station in Portugal, ausrichten dürfen dieses Ding ja nur die vorjährigen Siegerländer – und zugleich ist alles wie immer. Unter Presseleuten und Fans beträgt die Heterosexualitätsorientiertheitsquote ungefähr knapp fünf Prozent – und diese werden hauptsächlich durch Frauen erfüllt, die ihre schwulen Freunde gern zu einem ESC als Fans begleiten.

Jan Feddersen ist taz-Redakteur. Er bloggt auf der NDR-Plattform eurovision.de über den ESC.

Die Proben laufen wie am Schnürchen, auch am dritten Tag der zweiwöchigen Trainingsdurchgänge, manches klappt noch nicht, stimmlich vor allem. Die Frage des Tages lautet: Weshalb wird der Däne Rasmussen mit seinem wikingeresk gehaltenen Stampfdödellied „Higher Ground“ unter die Top 10 geweissagt? Er hat außer einem Hipsterbart nix zu bieten, und stimmlich ist DJ Ötzi selbst an schlechten Tagen besser.

P.S.: Netta Barzilai hatte derweil einen freien Tag: Die haushohe Favoritin dieses ESC-Jahres darf mal eine Pause von ihrem Lied „Toy“ nehmen, sie probt Donnerstag wieder, 30 Minuten für den letzten Schliff an ihrer Performance. Beobachter sagen: Die ist live genauso gut wie aus der Konserve, eine, so sagte es ein polnischer Fan, „Bühnenfurie“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.