Europa-Rede des Bundespräsidenten: Gauck sieht Vertrauenskrise

Bundespräsident Gauck hat seine erste Europa-Rede gehalten. Ängste der EU-Partner vor einer Vormachtstellung Deutschlands in Europa wies er zurück.

Europa gepredigt: Joachim Gauck. Bild: dpa

BERLIN dpa/rtr/taz | Bundespräsident Joachim Gauck hat in seiner Grundsatzrede eine Krise des Vertrauens in Europa beklagt. Der gegenwärtige Zustand des Kontinents sei nicht nur als Problem des Euro zu beschreiben. „Diese Krise hat mehr als nur eine ökonomische Dimension. Sie ist auch eine Krise des Vertrauens in das politische Projekt Europa“, sagte Gauck am Freitag in Berlin.

Es gebe in der Bevölkerung einen deutlichen Unmut, der nicht ignoriert werden dürfe. Viele Bürger würden in einem Gefühl der Macht- und Einflusslosigkeit zurückgelassen.

Außerdem wies er Ängste der EU-Partner vor einer Vormachtstellung Deutschlands in Europa zurück. „Ich versichere allen Bürgerinnen und Bürgern in Europa: Ich sehe unter den politischen Gestaltern in Deutschland niemanden, der ein deutsches Diktat anstreben würde“, sagte der Bundespräsident. Aus tiefer innerer Überzeugung könne er sagen: „Mehr Europa heißt in Deutschland nicht: deutsches Europa.“ Das Staatsoberhaupt fügte hinzu: „Wir wollen andere nicht einschüchtern, ihnen auch nicht unsere Konzepte aufdrücken."

Der Bundespräsident fügte aber hinzu, die Deutschen stünden zu ihren Erfahrungen und wollten sie gern vermitteln. Vor weniger als zehn Jahren habe die Bundesrepublik schließlich selbst noch als kranker Mann Europas gegolten. Gauck räumte aber ein, dass deutsche Politiker „vereinzelt zu wenig Empathie für die Situation der anderen aufgebracht haben“ oder als kaltherzig erschienen sein könnten.

Dies erkläre sich auch aus der notwendigen Auseinandersetzung um den richtigen Weg. Vereinzelte abfällige Bemerkungen zu anderen Staaten verurteilte er: „Sollte aus kritischen Kommentaren allerdings Geringschätzung oder gar Verachtung gesprochen haben, so ist dies nicht nur grob verletzend, sondern auch politisch kontraproduktiv.“

Gauck unterstrich, die Europäische Union dürfe für niemanden eine Einbahnstraße sei, sondern folge dem Prinzip der Gegenseitigkeit. „Verlässlichkeit und Solidarität stehen und fallen miteinander.“ Notwendig sei, die Themen und Probleme ausreichend zu erläutern. Kommunikation sei „kein Nebenthema des Politischen“.

Weiterhin rief Gauck die Briten auf, in der EU zu bleiben. „Liebe Engländer, Waliser, Schotten, Nordiren und britische Neubürger! Wir möchten Euch dabei haben! Wir brauchen Eure Erfahrungen als Land der ältesten parlamentarischen Demokratie, wir schätzen Eure Traditionen, aber wir brauchen auch Eure Nüchternheit und Euren Mut.“

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