Eurokrise: Immer mehr Gegner für Merkel

Details einer neuen EU-Finanzarchitektur sickern durch, sie stehen im Widerspruch zur Politik der Bundesregierung. Die Appelle an Merkel, ihre Position zu ändern, häufen sich.

Wurde von Barroso, Obama, Cameron zum Kurswechsel aufgefordert: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bild: dapd

BRÜSSEL taz | Deutschland gerät wegen seiner zögerlichen Haltung in der Eurokrise immer mehr unter Druck. Am Mittwoch forderte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse sich endlich bewegen und neben der bereits beschlossenen Fiskalunion auch eine umfassende Bankenunion sowie Gemeinschaftsanleihen, sogenannte Eurobonds, akzeptieren. Bisher lehnt Merkel beides ab.

Die EU habe es mit „systemischen Problemen“ zu tun und sei in eine „Notlage“ geraten, sagte Barroso. Dabei spielte er auf die Lage von Spanien und Italien an, die immer stärker unter Druck von Investoren und Spekulanten geraten. Die Eurozone müsse beim nächsten EU-Gipfel Ende Juni nicht nur die umstrittenen Neuerungen, sondern auch einen verbindlichen Fahrplan zu deren Umsetzung beschließen.

Mit Blick auf das Zögern in Berlin warnte Barroso: „Ich bin mir nicht sicher, ob die Notlage in allen Hauptstädten vollständig erkannt wird.“ Indirekt schob er den Schwarzen Peter für die Krise so an Merkel – und er steht längst nicht allein damit. Mittlerweile gehen im Kanzleramt fast täglich Appelle und Hilferufe ein.

Nach US-Präsident Barack Obama und der Gruppe der G 7 forderten auch der britische Premier David Cameron, Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy und Italiens Premier Mario Monti rasche Entscheidungen.

EU-Gremien arbeiten an Notfallplänen

Sie alle fürchten, dass die Eurozone unter dem Druck der Krise zusammenbrechen könnte. Die Eurochefs hätten höchstens noch drei Monate Zeit, um eine Katastrophe zu verhindern, warnte IWF-Chefin Christine Lagarde. Als möglicher Auslöser eines Crashs gilt vor allem Griechenland. Sollte Athen die Währungsunion verlassen müssen, könnte dies zu einer panikartigen Flucht aus dem Euro führen.

Um das Schlimmste zu verhindern, arbeiten die EU-Gremien an Notfallplänen und Entwürfen für eine neue Euro-Finanzarchitektur. Am Mittwoch wurde bekannt, dass die EU bei einem „Grexit“, dem Austritt Griechenlands aus dem Euro, Grenz- und Kapitalverkehrskontrollen einführen könnte. Unterdessen fordern die griechischen Konservativen Nachverhandlungen über das Hilfsprogramm – nachdem Spanien weniger strenge Auflagen bekommen soll.

Gestern sickerten Details der geplanten neuen Finanzarchitektur durch. Dazu gehören neben einer Bankenunion mit gemeinsamer Aufsicht und Haftung auch eine engere Fiskalunion, die durch Gemeinschaftsanleihen und gemeinsame Ausgabenprogramme gefestigt werden könnte.

Die Eurozone brauche eine „viele engere Banken- und Fiskalunion“, heißt es in einem Entwurf für die Abschlusserklärung des Juni-Gipfels, der vorzeitig bekannt wurde – und Berlin wenig erfreuen dürfte.

Abgeordnete wollen Tilgungsfonds

Die EU-Abgeordneten forderten darüber hinaus, einen Schuldentilgungsfonds einzuführen, wie ihn die deutschen Wirtschaftsweisen schon im letzten Jahr vorgeschlagen hatten. Damit sollen die Schuldenberge in der EU abgebaut werden, Deutschland würde für die „Schuldensünder“ im Süden mithaften. Auch diesen Vorschlag lehnt Merkel bisher ab.

Allzu lange wird sie sich ihre Blockade nicht mehr leisten können. Denn hinter den Kulissen arbeiten EU-Kommissionschef Barroso, Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker, EZB-Präsident Mario Draghi und Ratspräsident Herman Van Rompuy an einem Masterplan zur Rettung Europas.

Er soll beim EU-Gipfel vorliegen und das bisherige Klein-Klein bei der Krisenbewältigung beenden. Wenn Merkel auch dazu Nein sagt, stürzt die EU neben der wirtschaftlichen auch noch in eine politische Krise.

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