Erste Runde der Präsidentschaftswahl: Kein rechter Durchmarsch in Chile

Der Konservative Sebastián Piñera hat die erforderliche Mehrheit in Chile deutlich verfehlt. Am 17. Dezember gibt es eine Stichwahl.

Ein Mann im weißen Hemd freut sich mit geballter Faust

Eigentlich gibt es nicht viel zu feiern: Der Konservative Sebastián Piñera muss in die Stichwahl Foto: reuters

BUENOS AIRES taz | In Chile sind seit Sonntag die Karten im Kampf um die Präsidentschaft neu gemischt. Mit nur 36,6 Prozent der Stimmen hat der Konservative Sebastián Piñera in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl die erforderliche Mehrheit von mehr als 50 Prozent der Stimmen deutlich verfehlt. Zugleich schaffte der Mitte-links Kandidat Alejandro Guillier mit 22,7 Prozent den Einzug in die zweite Runde. Wer die Nachfolge der scheidenden sozialistischen Präsidentin Michelle Bachelet antreten wird, wird am 17. Dezember entschieden.

Für die große Überraschung des Wahlsonntags sorgte die linke Beatriz Sánchez. Zwar verfehlte die 46-Jährige den Einzug in die Stichwahl. Mit 20,3 Prozent der Stimmen lag sie jedoch weit über den für sie vorhergesagten 8,5 Prozent. Damit ist die Kandidatin der Frente Amplio zur stichwahlentscheidenden Kraft avanciert. „Wir werden die politische Landkarte Chiles verändern,“ rief die sichtlich bewegte Kandidatin ihrer jubelnden Anhängerschaft zu.

Das Breite Bündnis (Frente Amplio) aus rund einem Dutzend kleinen linken Parteien sowie sozialen, ökologischen, feministischen und studentischen Gruppierungen war erst im vergangenen Februar gegründet worden. Rasch wurde es zum Sammelbecken für die, vom Regierungsbündnis von Präsidentin Bachelet Enttäuschten, darunter auch die populären ehemaligen Studierendenanführer Gabriel Boric und Giorgio Jackson.

Sollte sich die Frente Amplio für eine Unterstützung Guilliers in der Stichwahl aussprechen, hätte dieser gute Chancen in den kommenden Wochen eine breite Allianz gegen Rechts zu schmieden. Die Annäherung dürfte jedoch nicht einfach werden. Der 64-jährige Guillier trat als unabhängiger Kandidat einer Koalition aus SozialistInnen, SozialdemokratInnen und KommunistInnen an und hatte im Wahlkampf versprochen, Bachelets Reformpolitik fortzusetzen.

Mit seinen 36,6 Prozent blieb der 67-jährige Sebastián Piñera überraschend klar unter den für ihn vorhergesagten 44 Prozent der Stimmen. Piñera war bereits von 2010 bis 2014 Präsident und trat am Sonntag für das Mitte-rechts-Bündnis Chile Vamos an. Sein Versprechen von Wirtschaftswachstum und der Ankündigung, die Staatsausgaben senken zu wollen, brachte jedoch nicht die erhoffte Stimmenzahl.

Acht Millionen NichtwählerInnen

Entsprechend zurückhaltend trat er am Wahlabend auf: „Jetzt beginnt eine neue Etappe und wir werden mit Bescheidenheit, mit Verbindlichkeit und mit Hoffnung weiterarbeiten“, sagte Piñera. Ausdrücklich beglückwünschte er den Rechtsaußen-Kandidaten José Antonio Kast zu dessen Achtungserfolg. Kast, der sich in der Tradition des früheren Diktators Augusto Pinochet sieht, erhielt 7,9 Prozent der Stimmen. Noch am Wahlabend sagte er Piñera seine Unterstützung zu.

Die verteilten Karten lassen denn auch auf einen kommenden Lagerwahlkampf schließen. Entscheidend für die Stichwahl wird jedoch nicht nur das Addieren der abgegeben Stimmen sein. Nur 44 Prozent der rund 14,3 Millionen Wahlberechtigten gingen zu den Urnen. Die Mehrheit der NichtwählerInnen blieb mit ihren gut acht Millionen Stimmen den Wahllokalen fern.

In den kommenden 28 Tagen dürfte das Werben um diese Mehrheit stärker in den Mittelpunkt des Wahlkampfes rücken. Entschieden ist schon jetzt die Zusammensetzung des zukünftigen Kongresses. Am Sonntag standen auch die 155 Abgeordneten des Unterhauses und die Hälfte der 46 Senatorenposten zur Wahl. Mit 72 Abgeordneten wurde das Mitte-rechts-Bündnis Chile Vamos im Unterhaus zue stärkten Kraft, verfügt damit aber über keine Mehrheit.

Das Mitte-links Regierungsbündnis Fuerza de la Mayoría stellt zukünftig 43 Abgeordnete, während für die linke Frente Amplio auf Anhieb 20 Abgeordnete ins Unterhaus einziehen. Von den übrigen 20 Mandaten entfallen 14 auf die Christdemokraten. Ein ausgeglichenes Bild bietet der zukünftige Senat. Chile Vamos stellt 29 Senatoren, Fuerza de la Mayoría 28, Christdemokraten 13 und die Frente Amplio einen Sitz.

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