Ermittlungen nach Berliner Anschlag: Die Jagd nach Komplizen

Nach dem Terroranschlag nehmen die Ermittler zwei Verdächtige ins Visier. Für die Bundesanwaltschaft sind noch einige Fragen offen.

Eine Frau steht hinter vielen Mikrofonen

Informierte am Mittwoch über den aktuellen Ermittlungsstand: Frauke Köhler, Sprecherin der Bundesanwaltschaft Foto: dpa

BERLIN taz | Es war eine letzte Botschaft. Gerade hatte Anis Amri einen LKW in den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz gesteuert und elf Menschen getötet. Nun erfasst ihn eine Videokamera – nur unweit entfernt am Bahnhof Zoologischer Garten. Amri ist sich dessen offenbar bewusst. Er formt mit erhobenem Zeigefinger den „Tauhid-Gruß“ gen Kamera, wie er auch unter IS-Anhänger bekannt ist. Dann verschwindet er.

Diese Ermittlungserkenntnis schilderte die Bundesanwaltschaft am Mittwochnachmittag. Die Behörde rekonstruierte inzwischen Amris Fluchtweg. Wonach sie aber weiterhin fieberhaft sucht, sind mögliche Komplizen des Terroristen.

Am Dienstag hatten Polizisten das Zimmer eines 26-jährigen Tunesiers in der Berliner Flüchtlingsunterkunft Motardstraße durchsucht. Der Mann soll Amri seit Ende 2015 gekannt haben und sich am Vorabend des Anschlags mit ihm in einem Berliner Restaurant getroffen haben. Dass er etwas vom Tatplan wusste, sei aber bisher nicht erwiesen, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft.

Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft erließ am Mittwoch dennoch einen Haftbefehl gegen den Mann: wegen Sozialbetrugs. Der 26-Jährige soll unter mindestens zwei Aliaspersonalien von April bis November 2015 in Leipzig, Mettmann und Berlin zu Unrecht Sozialleistungen bezogen haben, insgesamt 2.500 Euro.

Bei Razzien wurde nichts gefunden

2015 wurde gegen ihn zudem wegen des Verdachts ermittelt, er bereite eine „schwere, staatsgefährdende Gewalttat“ vor. Der Verdacht, er könne sich bereits Sprengstoff für einen Anschlag beschafft haben, erhärtete sich aber nicht. Bei Razzien wurde nichts gefunden. Im Juni 2016 wurde des Verfahren schließlich eingestellt.

Der zweite Durchsuchte hatte im Herbst 2016 mit Amri ein Zimmer im Berliner Stadtteil Gesundbrunnen bewohnt. Am Tattag hatte Amri laut Bundesanwaltschaft versucht, ihn am Vor- und Nachmittag anzurufen. Ob das Gespräch zustande kam, sei noch unklar. Ein Haftbefehl erfolgte nicht. Ziel aber sei es, so die Behörde, „so viel wie möglich über Anis Amri zu erfahren“.

Damit bleibt weiter offen, wem der 24-Jährige noch kurz vor der Tat aus dem Führerhaus des LKW eine Sprachnachricht schickte. „Ich bin jetzt im Auto“, soll Amri dort gesagt haben. „Bete für mich, Bruder.“ Für die Ermittler sind es jetzt die zentralen Fragen: Wer wusste von der Tat Amris? Und hat ihm jemand dabei geholfen?

Anis Amri hatte kurz vor Weihnachten mit einem LKW elf Menschen auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz getötet und den Fahrer erschossen. Laut Bundesanwaltschaft starb der Fahrer bereits, als Amri am Nachmittag das Fahrzeug kaperte.

Moscheebesuch kurz vor Anschlag

Noch kurz davor soll der Tunesier die Fussilet-Moschee in Berlin-Moabit aufgesucht haben, laut Verfassungsschutz ein Treffpunkt von Salafisten. Die Polizei hatte die Einrichtung bereits kurz nach der Tat durchsucht.

Auf seiner Flucht fuhr Amri laut Bundesanwaltschaft zuerst nach Nimwegen in den Niederlanden, dann weiter nach Amsterdam – allerdings erst zwei Tage nach der Tat. Was der Tunesier am Tag nach dem Anschlag tat, ist unklar. Von den Niederlanden ging es für Amri weiter nach Lyon und Chambéry in Frankreich, dann nach Turin und schließlich nach Mailand. Hier wurde Amri am 23. Dezember nach einem Schusswechsel mit Polizisten getötet.

Laut Bundesanwaltschaft verwendete der Islamist bei der Auseinandersetzung die gleiche Waffe wie bei den Schüssen auf den LKW-Fahrer in Berlin. Woher Amri die Pistole hatte – auch diese Frage müssen die Ermittler noch klären.

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