Ermittlungen nach Anschlägen: Neonazis wiegen sich in Sicherheit

Nach den rechten Anschlägen nimmt Polizei den "Nationalen Widerstand" ins Visier. Gegen das Neonazi-Netzwerk wird schon länger ermittelt - bisher erfolglos.

Auch er wird mit dem NW in Verbindung gebracht: NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke. Bild: dapd

Das Signet prangte an allen Tatorten: „NW Berlin“. An der Fassaden des Flüchtlingsheims im brandenburgischen Waßmannsdorf, am Zaun des linken „Falken“-Jugendtreffs in Neukölln-Britz, am Parteibüro der Linken in Tegel, an einem SPD-Büro in Spandau – sie alle waren in der Nacht zum Dienstag Ziel von Anschlägen. Hinter „NW“ verbirgt sich „Nationaler Widerstand“, es ist das führende Neonazi-Netzwerk der Stadt. Nun verstärkt die Polizei den Druck auf die Rechtsextremen. Die Opposition fordert bereits ein Verbot des NW.

Die Polizeibehörden Berlins und Brandenburgs würden intensiv zusammenarbeiten, um die Vorfälle aufzuklären, teilten ihre Sprecher mit. Es werde "mit Hochdruck" ermittelt.

Innensenator Frank Henkel (CDU) sagte, er nehme die Anschläge „sehr ernst“. Man werde alles tun, um die Verantwortlichen zu ermitteln. Gleiches gelte für die Betreiber der Internetseite des NW. Deren genaue Webadresse wurde an vielen Tatorten gesprayt. Auf der Seite wird eine Liste von Neonazi-Gegnern geführt. „Diese Einschüchterungsversuche sind unerträglich“, sagte Henkel. „Das werden wir nicht tatenlos hinnehmen.“ Dem betroffenen Anton-Schmaus-Haus der SPD-nahen „Falken“ versprach Henkel einen nächtlichen Wachschutz, bis ein neuer Sicherheitszaun errichtet sei.

Die Anschläge reihen sich ein in eine Serie rechter Attacken auf Parteibüros und Neonazi-Gegner in den vergangenen Monaten – ohne dass überhaupt „konkrete Anhaltspunkte auf die Täter“ vorliegen, wie die Polizei am Mittwoch eingestehen musste. In Waßmannsdorf hatte ein Wachmann von drei Angreifern gesprochen, die, nachdem sie das Heim mit Parolen beschmiert sowie ein Fenster und zwei Nottüren beschädigt hatten, mit einem Auto davonfuhren. Tatsächlich stoppte die Polizei einen solchen Pkw später in Berlin. Die Insassen hätten aber schlüssig geschildert, nichts mit der Tat zu tun zu haben, sagte eine Polizeisprecherin.

Opposition und SPD macht das ungeduldig. Sie fordern, endlich auch Täter zu schnappen und ein Verbot des NW Berlin zu prüfen. Für die Polizei ist es aber offenbar schwierig, überhaupt festzustellen, wer sich hinter dem Neonazi-Netzwerk verbirgt. Bereits im Januar stellte sie, um die Betreiber der NW-Website zu ermitteln, ein Rechtshilfeersuchen an die USA, wo deren Server steht. Mithilfe der Antwort, so Oberstaatsanwalt Andreas Behm kürzlich im Verfassungsschutzausschuss, seien mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Betreiber „gerichtsfest“ zu ermitteln sei aber „kompliziert“, sagte Behm. Dafür müsse „eine Vielzahl an Indizien zusammenzutragen“ werden. Es würden aber „alle rechtlich zulässigen Maßnahmen“ ergriffen.

Im März durchsuchte die Polizei die Wohnungen dreier mutmaßlicher NW-Mitglieder, darunter die von NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke und seinem Vorstandskollegen Sebastian Thom. Letzterer soll Hauswände mit Parolen besprüht und Fotos davon auf die NW-Website gestellt haben. Die Ermittlungen stehen nach taz-Informationen kurz vor dem Abschluss. Schmidtke firmierte früher offen als Presseverantwortlicher für den NW.

Der enge Verbund mit der NPD ist kein Zufall: Viele NW-Mitglieder entstammen der Berliner NPD-Jugend. Dazu sollen sich Exmitglieder der Kameradschaft Tor gesellen, etwa deren einstiger Anführer Björn Wild. Die Gruppe wurde 2005 verboten – in dem Jahr tauchte der NW erstmals auf.

Dessen Struktur ist unklar. Der Verfassungsschutz wertet den NW Berlin als „fiktive Bezeichnung“, derer sich junge Neonazis bedienen, die „Autonomen Nationalisten“. Auf rund 100 Personen schätzt die Behörde ihr Potenzial. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus sieht den NW dagegen als „Aktionszusammenhang“ mit einem Kern von 10 bis 15 Neonazis.

Der trifft sich in einem ehemaligen Gardinenladen in der Lichtenberger Lückstraße. Angemietet wurde das Geschäft getarnt, als Sozialverein. Dessen Vorsitzender: NPD-Mann Sebastian Thom.

Auf Demos kleiden sich die NW-Leute im Autonomenstil: schwarze Jacken, schwarze Basecaps. Sie treffen sich zu „nationalen Fußballturnieren“ und laden SS-Veteranen zu Vorträgen. In ihren Texten schmähen sie Homosexuelle als „krank, asozial“, Zuwanderer als „Krebsgeschwür“, zitieren Adolf Hitler. Auch vor Gewalt schrecken sie nicht zurück: Auf ihrer Website brüsten sie sich, einem „Kinderschänder“ in Lichtenberg die Scheiben eingeworfen zu haben. Auf einer Demo im Mai 2011 attackierten sie Gegendemonstranten. Auch dazu laufen noch Ermittlungen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.