Erinnerung an Brechmittel-Opfer: Condé-Denkmal auf dem Weg

Am Mittwoch vor zehn Jahren starb Laye Condé an den Folgen von Brechmittel-Folter. Ein permanentes Denkmal gegenüber der Kunsthalle wird konkreter.

Nur ein vorrübergehendes Gedenken: die Umbenennung der Sielwallkreuzung 2014. Bild: Initiative Laye Condé

Zum zehnten Todestag von Laye Condé werden die Planungen für ein permanentes Denkmal immer konkreter. Am 7. Januar 2005 war der aus Sierra Leone stammenden Condé an der Zwangsvergabe von Brechmitteln in Polizeigewahrsam gestorben, an einer Folter, die jahrelang in Bremen politisch gewollt und von der Justiz als legitim angesehen wurde.

Während AktivistInnen um die „Initiative in Gedenken an Laye-Alama Condé“ in den vergangenen Jahren am Todestag immer ein provisorisches Denkmal an der Sielwallkreuzung aufstellten, soll am Mittwoch eine Aktion gegenüber der Kunsthalle stattfinden: Am Rande der Wallanlagen ist hier der Standort für einen festen Gedenkort geplant.

Gespräche mit dem Ortsamt und dem Beirat Mitte wurden geführt, ein klärender Termin mit dem Denkmalpfleger und dem Umweltbetrieb Bremen steht an. Der Gedenkort solle „mahnend erinnern, dass kein Mensch im Zuge staatlicher Maßnahmen gequält oder gar getötet werden darf“, heißt es von der Initiative.

Der konzeptionelle Entwurf stammt von den Künstlerinnen Doris Weinberger und Jule Körperich: In einem Ensemble aus vier Metallstühlen, wie sie in der westafrikanischen Region, aus der Laye Condé geflohen ist, gebräuchlich sind, ist einer der Stühle umgekippt – laut Initiative als „Zeichen für die Tötung Condés und den zivilisatorischen Bruch der langjährigen Brechmittelvergabe“ insgesamt. Daneben sollen eine Gedenktafel und mehrere Tonspuren auf einem Abspielgerät über die Hintergründe informieren sowie eine Website entstehen.

Der aus Sierra Leone stammende Condé starb am 7. Januar 2005 im Alter von 35 Jahren.

Am 27. Dezember 2004 war Condé an der Sielwall-Kreuzung von Polizisten aufgegriffen worden. Er stand in Verdacht, als mutmaßlicher Drogenhändler Kokain-Kügelchen verschluckt zu haben.

In Polizeigewahrsam wurden ihm über Stunden zwangsweise Brechmittel und Wasser über eine Nasensonde eingeflößt. Er fiel ins Koma und wachte nicht mehr auf.

Bis 2004 wurden so vermutlich viele hundert Male hauptsächlich Menschen mit schwarzer Hautfarbe gefoltert.

„Wir stehen dem sehr positiv gegenüber“, sagt der Grünen-Politiker Michael Rüppel, Sprecher des Beirates Mitte. Er hoffe, dass der Beirat noch in den nächsten Monaten den Standort und Entwurf beschließt. „Ich gehe davon aus, dass das Denkmal beim nächsten Todestag fertig ist“, so Rüppel.

Laut Gundula Oerter von der Initiative sei der Denkmals-Standort mit Bedacht gewählt: „Einerseits mit Kontakt zum ’Viertel‘, in dem die Mehrzahl derjenigen festgenommen wurden, die der Brechmittel-Folter unterzogen wurden. Andererseits mit Kontakt zur Innenstadt, wo sich mit der Bürgerschaft, der Justiz und bis 1999 dem Polizeipräsidium die Institutionen befinden und befanden, die maßgeblich für den über 1.000-maligen Einsatz von Brechmitteln verantwortlich waren.“

Im Sommer war dieses „Brechmittel-System“ auf einem öffentlichen „Hearing“ dargestellt und kritisiert worden, unter anderem durch den grünen Fraktionsvorsitzenden Matthias Güldner, den Arzt Hans-Joachim Streicher sowie von Danja Schönhofer und Mathias Brettner vom Anti-Rassismus-Büro.

Zum Todestag kommt nun eine schriftliche Dokumentation dieses Hearings heraus. Es gehe darum, dass die Gefahren bei allen verantwortlichen Stellen bekannt waren und bewusst in Kauf genommen wurden, heißt es von der Initiative: „Während sich Polizeipräsident Lutz Müller bei mehreren Gelegenheiten zur Verantwortung seiner Behörde bekannt hat, fehlt aus den Reihen der federführend verantwortlichen SPD, aber auch aus der Justiz sowie der Ärztekammer bis heute noch jede Übernahme von Verantwortung“, sagt Volker Mörchen von der Initiative.

Bei der Bremer Ärztekammer etwa sieht der Arzt Hans-Joachim Streicher „klare Indizien für eine Verstrickung im Sinne einer stillschweigenden Komplizenschaft“. Dennoch weigere sich die Kammer bis heute, sich mit dem Thema zu befassen.

Der Prozess gegen den verantwortlichen Polizeiarzt Igor V. war im November 2013 endgültig eingestellt worden. Für die Vergabe der Brechmittel, die von 1991 bis 2004 systematisch zur vermeintlichen Beweissicherung eingesetzt wurde und von der hauptsächlich schwarze Menschen betroffen waren, wurde niemals jemand verurteilt.

1992 hatte der damaligen Justizsenator Henning Scherf (SPD) für die Prozedur die rechtliche Grundlage geschaffen, die vom Ärztlichen Beweissicherungsdienst unter Leitung von Michael Birkholz durchgeführt wurde und die Grundlage für zahlreiche Anklagen durch die Staatsanwaltschaft und Urteile durch Bremer Richter war. 2006 sah der Europäischen Menschenrechtsgerichtshof darin einen Verstoß gegen das Folterverbot.

Gedenkaktion gegenüber der Kunsthalle: 7. 1., 17.30 Uhr;
Bestellung der Broschüre (ab 8. 1.):
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