Erfolg der Lit.Cologne 2017: Die Liebe der Kölner

Fast 200 Veranstaltungen mit insgesamt 110.000 Besuchern: Die Lit.Cologne ging mal wieder mit Rekorden zu Ende.

Iris Berben vor schwarzem Hintergrund

Iris Berben ist Dauergast auf der Lit.Cologne Foto: dpa

Wie er das Buch fand? „Okay“, lügt Autor Thomas Melle – und lacht. Das Publikum ebenso. Vor einem Jahr saß an seinem Platz hier im Klaus-von-Bismarck-Saal im WDR-Funkhaus Benjamin von Stuckrad-Barre und stellte sein „Panikherz“ vor. Melles „Die Welt im Rücken“, in dem er über seine manisch-depressive Störung schreibt, ist weniger Pop, weniger Spaß, dafür mehr Drama und Tiefe, die Lesung mit ihm aber ebenso unterhaltsam. Beide Autoren haben mit ihren Memoirs großen Erfolg. Und wer Erfolg hat, kommt im Frühjahr nach Köln zur Lit.Cologne. Seit 17 Jahren schon.

Fast 200 Veranstaltungen, 110.000 Besucher, eine Auslastung von 95 Prozent: Die Lit.Cologne ging am Wochenende erneut mit Rekordzahlen zu Ende. Es wurde politisch diskutiert über die Situation in der Türkei und den Rechtspopulismus. Es gab klassische Lesungen mit Autorenstars wie Martin ­Suter oder Paul Auster.

Themenabende zu Fußball, Egotrips und Bayern. Die Karten sind meist wenige Stunden nach Verkaufsstart weg. Die Kölner vertrauen den Organisatoren blind. Wenn diese unbekannte Autoren vorstellen wollen – eine literarische Entdeckungsreise unternehmen –, lesen Schauspieler wie Ulrich Noethen oder Joachim Król und schon kommen 500 Menschen.

Gelesen und diskutiert wird nicht in verstaubten Buchhandlungen, sondern an glamourösen Orten wie der Kulturkirche, der Philharmonie oder dem Literaturschiff. Autoren werden wie Kinostars behandelt. Shuttle­service, Luxushotel, Festivalcafé im Schokoladenmuseum, allabendlicher Treffpunkt. Wie immer gilt: ein Kölsch, ein Bon. Ein Bon, ein Euro. Alles sehr familiär.

Kölner, die Bayern lieben

Im Festivalcafé wird auch diskutiert – etwa über die Veranstaltungen des Tages. Meist begeistert, manchmal ernüchtert. Denn nicht alle Veranstaltungen funktionieren. Die Autorinnen Margarete Stokowski („Untenrum frei“) und Nora Bossong („Rotlicht“) etwa hatten sich bei ihrer Diskussion über Sexismus, Prostitution und die sexuelle Revolution nicht viel zu sagen. Zwei Solo-Abende wären lohnender gewesen.

Auch Caroline Emcke („Gegen den Hass“) und Didier Eribon („Rückkehr nach Reims“) hatten Schwierigkeiten bei ihrem Gespräch über den Hass. Vor allem die Sprachbarriere – das Gespräch wurde auf Englisch geführt – ließ Eribon teils profan wirken, man wünschte ihm eine Simultan­über­setzung.

Anfängliche Sprachbarrieren gab es auch bei „Viva Bavaria“. „Was singen die da?“, dachten sich rund 600 irritierte, aber durchaus belustigte Kölner beim Auftritt der bayerischen Krautrock-Band Kofel­gschroa. Spätestens ab dem dritten Song aber gewöhnten sich die rheinischen Ohren an die bayerische Mundart, die intelligenten, ausgereiften Songs der vier Jungs aus Oberammergau.

Nachwuchs im Ruhrpott

Die Textauswahl war hervorragend – Beobachtungen über Bayern von Simone de Beauvoir, Thomas Wolfe, Gerhard Polt und vielen anderen – und die lesenden, Bier trinkenden und sichtlich selbst belustigten Schauspieler waren mit Stephan Zinner und Brigitte Hobmeier ideal besetzt. Nach 90 Minuten blickte man in 600 lächelnde Gesichter. Kölner und Bayern – eine bislang verkannte Liebe?

Die Liebe der Kölner zu ihrem Literaturfestival ist jedenfalls derart innig, dass die Organisatoren es jetzt auch anderswo probieren wollen. Im Herbst bekommt die Lit.Cologne Nachwuchs: die lit-Ruhr im Ruhrpott.

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