Entgeld für ehrenamtlich Engagierte: Aus dem Gleichgewicht

Bei aufwendigen Verfahren zur Bürgerbeteiligung sitzen gut bezahlte Behördenvertreter mit ehrenamtlich arbeitenden Bürgern an einem Tisch, die nicht mal ihre Telefonkosten zurückbekommen.

Die Verhandlungen zwischen Bürgern und Behörden um die Bäume am Landwehrkanal zogen sich über Jahre. Bild: dpa

Wie viel Geld bekommen eigentlich die Bürger, die sich jahrelang in einem Bürgerbeteiligungsverfahren engagieren? Die taz hatte am Dienstag berichtet, dass das Wasser- und Schifffahrtsamt für das Mediationsverfahren am Landwehrkanal einige hunderttausend Euro ausgegeben hatte, um sein eigenes Personal aufzustocken. Für die beteiligten Bürger gab es dagegen nichts: „Wir haben keinen Pfennig bekommen“, sagt Achim Appel, Vorsitzender des Vereins „Bäume am Landwehrkanal“.

Appel findet das falsch: „Eine Aufwandsentschädigung sollte es schon geben, einfach weil man auch Ausgaben hat, etwa Telefonkosten.“ Eine richtige Bezahlung lehnt er allerdings ab: „Dann wäre die Unabhängigkeit nicht gegeben.“ Und es könnte die falschen Leute anziehen: „Dann sammeln sich die Fliegen.“

Appel fände etwas anderes wichtiger: Geld, das die Bürger für Gutachter ausgeben dürfen – ohne dass die Behörde die Inhalte des Gutachtens vorgibt. Das würde es den Bürgern ermöglichen, externen Sachverstand einzuholen und der Behörde inhaltlich mehr entgegensetzen zu können.

Katja Niggemeier organisiert die Beteiligung von Ehrenamtlichen, sie arbeitet bei der List GmbH als Teamleiterin des Quartiersmanagements Brunnenstraße. Dort kommen im Quartiersrat monatlich Anwohner zusammen und entscheiden mit darüber, welche Initiativen in dem sozial schwachen Gebiet von Fördergeldern profitieren. „Es wäre aus unserer Sicht sinnvoll, eine kleine Aufwandsentschädigung für die Quartiersräte zur Verfügung zu stellen“, sagt Niggemeier. Die Vorgaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erlauben das nicht. Es würde aber „die Motivation steigern, damit die Anwohner auch regelmäßiger erscheinen“, sagt Niggemeier. Außerdem haben die Anwohner „eine anspruchsvolle Aufgabe mit hoher Verantwortung“ – immerhin geht es um 240.000 Euro, die an Projekte zu vergeben sind.

Auch die Ehrenamtlichen, die sich beim Volksentscheid für ein zu 100 Prozent unbebautes Tempelhofer Feld engagieren, werden nicht bezahlt. Der Verein Mehr Demokratie fordert, dass man „über eine Kostenerstattung bei Volksbegehren nachdenkt“, sagt der Landesvorsitzende Oliver Wiedmann. Wenn die Unterschriftenhürde geknackt ist, könnte es ein paar Cent pro Unterschrift geben, bei der späteren Abstimmung noch mal ein paar Cent pro Jastimme. „Um das Quorum zu knacken, braucht man gewisse Werbemittel, um auf sich aufmerksam zu machen“, sagt Wiedmann. Und da sei „Geld schon sehr hilfreich“, um ein Gegengewicht zum Senat und den Koalitionsparteien zu schaffen: „Das ist wichtig, damit Chancengleichheit hergestellt wird.“ SEBASTIAN HEISER

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